US-Pläne blockieren UNO-Konferenz

Die Raketenabwehrpläne der USA erschweren die Beratungen in Genf über Abrüstung und Rüstungskontrolle zusätzlich. Russland legt einen Alternativvorschlag vor. Doch Anzeichen für ein Einlenken Washingtons gibt es bislang nicht

Die USA haben die Verhandlungsebene der UNO nie sonderlich geschätzt

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Nicht nur bei bilateralen Gesprächen der USA mit ihren Verbündeten, wie derzeit Außenminister Joschka Fischer, stehen Washingtons Pläne für ein Raketenabwehrsystem derzeit ganz oben auf der Tagesordnung. Auch bei der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen in Genf, die vergangenen Donnerstag zu einer Plenarsitzung zusammenkam, bestimmt dieses Vorhaben die Diskussionen. 66 Staaten aus allen Weltregionen gehören der UNO-Konferenz an. Sie ist die einzige ständige multilaterale Institution zur Beratung von Abrüstung und Rüstungskontrolle.

Fast all diese 66 Staaten fühlen sich in irgendeiner Weise von den amerikanischen Plänen betroffen: Entweder zählen sie – wie Irak und Iran – zu den von Washington so bezeichneten „Schurkenstaaten“ , durch deren angebliche oder tatsächliche Raketenrüstung sich die USA bedroht fühlen. Oder sie fürchten – wie die Atomwaffenstaaten Russland und China –, dass ihre eigenen Raketenarsenale durch das amerikanische Abwehrsystem an Bedeutung verlieren und dass bestehende Rüstungskontrollabkommen, wie vor allem der 1972 zwischen Washington und Moskau vereinbarte Raketenabwehrvertrag ABM, unterminiert werden.

Die asiatischen Mitglieder der UNO-Konferenz – darunter Indien, Pakistan, Japan und Südkorea – machen sich Sorgen über einen neuen Rüstungswettlauf in ihrer Weltregion, sollte China – wie von der Regierung in Peking bereits angekündigt – mit der Stationierung neuer Atomwaffen auf die Etablierung eines amerikanischen Raketenabwehrsystems reagieren. Befürchtungen vor einem neuen Rüstungswettlauf teilen auch Deutschland und die anderen acht Nato-Verbündeten der USA, die der UNO-Konferenz angehören.

Russlands Außenminister Igor Iwanow stieß bei seinem Auftritt zu Beginn der diesjährigen Sitzungsperiode der UNO-Abrüstungskonferenz auf zumindest mehrheitliche Zustimmung, als er Washingtons Pläne konkrete Vorschläge für politische und diplomatische Alternativmaßnahmen entgegenstellte: Die Weiterverbreitung von Raketen und Raketentechnologie solle durch ein neu zu schaffendes globales Kontrollsystem verhindert werden. Eine russisch-amerikanische Überwachungsstation soll als Frühwarnsystem dienen. Wie Russlands Außenminister warnten am Donnerstag auch dessen pakistanischer Amtskollege Inam ul Haque sowie die Botschafter Chinas, Neuseelands und Südafrikas vor einem neuen Rüstungswettlauf und einer Zerstörung des ABM-Vertrages in Folge der amerikanischen Raketenabwehrpläne.

Doch gilt es in Genf als höchst unwahrscheinlich, dass die UNO-Konferenz sich über einzelne Reden hinaus ernsthaft – das hieße in Form von auf Vereinbarungen zielenden formalen Verhandlungen – mit dem Thema Raketenabwehr und mit den russischen Alternativvorschlägen befassen wird. Denn es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Bush-Administration in Washington auf derartige Verhandlungen einlassen könnte.

US-Botschafter Robert Grey ging bei seiner Rede kaum auf das Thema Raketenabwehr ein. Die USA haben die multilaterale Verhandlungsebene der UNO ohnehin nie sonderlich geschätzt. Wenn überhaupt, dürfte Washington die Raketenabwehrpläne lediglich in bilateralen Gesprächen mit Russland und vielleicht auch mit China erörtern sowie in Konsultationen mit den Nato-Verbündeten.

Doch auch ohne Verhandlungen in der UNO-Abrüstungskonferenz sind die Raketenabwehrpläne der USA natürlich den Genfer Abrüstungsdiplomaten präsent. Diese Pläne werden die Beratungen der UNO-Konferenz zu anderen Fragen auf jeden Fall beeinflussen – und zwar höchstwahrscheinlich äußerst negativ. Bereits seit fünf Jahren kann sich die Abrüstungskonferenz nicht darauf einigen, über welche Themen sie formale Verhandlungen eröffnen soll. Auf der Vorschlagsliste stehen unter anderen die Fragen der Weltraumrüstung, des Produktionsverbotes von spaltbarem, atomwaffenfähigem Material sowie der Rüstungskontrolle von konventionellen Waffen. Viele Länder des Südens verlangen zudem Verhandlungen über eine vollständige atomare Abrüstung.

Diese Forderung scheiterte bislang immer an den fünf offiziell anerkannten Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Im Gegenzug sind atomare Schwellenländer wie Indien oder Pakistan nicht bereit, sich auf ein Produktionsverbot für spaltbare Materialien einzulassen. Der auch von Russland mitgetragene Vorschlag zu Verhandlungen über ein Verbot der Weltraumrüstung wird von den USA strikt abgelehnt, wie Botschafter Grey erneut bekräftigte.

Die amerikanischen Raketenabwehrpläne dürften das gegenseitige Misstrauen und damit die Blockade der UNO-Konferenz noch verstärken. Zumal die USA ja nicht nur diese Abwehrpläne verfolgen, sondern zugleich auch neue, für regionale Konflikte bestimmte Atomwaffen entwickeln.