Auf gut Deutsch gesagt

Berlin pocht auf deutsche Übersetzungen bei EU-Treffen, die schwedische Präsidentschaft sträubt sich

BERLIN/STOCKHOLM taz ■ Ausgerechnet im europäische Jahr der Sprachen gibt es zwischen Deutschland und der Präsidentschaft der EU einen neuen Sprachenstreit: Weil die Schweden es in der vergangenen Woche ablehnten, bei dem Workshop „Jugendliche und Medien“ auch eine deutsche Übersetzung anzubieten, boykottierten die deutschen Beamten nicht nur das Treffen, sondern forderten auch die anderen deutschen Teilnehmer zur Absage auf.

Die Schweden reagierten empört. Es sei zu bedauern, wenn sich das größte EU-Land nicht für Themen wie Fernsehwerbung für Kinder interessiere und dann auch noch deutschen Fachleuten „verbiete“, an solchen Treffen teilzunehmen, hieß es aus dem Kulturministerium. Betroffen von dem „Verbot“ waren Vertreter von Rundfunk- und Medienanstalten, wie etwa die Abteilungsleiterin des ZDF-Kinderprogramms, Susanne Möller. Die Journalistin spricht dabei lieber von einer „Bitte“, die vom Kanzleramt an das ZDF herangetragen worden sei. Sie selbst wäre „nie auf die Idee gekommen“, ein Treffen wegen fehlender deutscher Übersetzung abzusagen. Auf Konferenzen englisch zu sprechen sei für sie selbstverständlich.

Ähnlich sieht es Doris Pack, die für die konservative Europäische Volkspartei im Kulturausschuss des Europaparlaments sitzt: „Aufrufe zum Boykott sind für die Zusammenarbeit in Europa nicht gerade förderlich.“

Warum also besteht die Bundesregierung auf Deutsch für ihre Beamten? Die Schweden hatten schließlich gehofft, eine Wiederholung des Sprachenstreits wie unter finnischer Präsidentschaft im Herbst 1999 zu vermeiden. Damals hatten Deutschland und Österreich mehrere informelle Treffen von Ministern boykottiert, da keine deutsche Übersetzung angeboten worden war.

Die rechtliche Grundlage hierfür wurde von beiden Seiten damals wie heute unterschiedlich interpretiert. Die Skandinavier sind der Ansicht, dass Deutsch als dritte gedolmetschte Sprache erst während der Präsidentschaft von Wien 1998 und Berlin 1999 eingeführt wurde. Die deutsche Seite verweist dagegen auf einen seit 1955 bis zum Beitritt Großbritanniens 1973 geltenden Konsens über Deutsch und Französisch als „informelle Urarbeitssprachen“. Inzwischen sind alle elf Amtssprachen auch Arbeitssprachen, es hat sich jedoch eingebürgert, nur die drei „großen“ zu benutzen. Eine rechtliche Festlegung gibt es aber nicht.

Im Unterschied zu Helsinki ist Stockholm bereit, bei informellen Ministerräten in drei und mehr Sprachen zu übersetzen. Auf Beamtenebene gebe es jedoch keine Praxis für einen simultanen Dolmetscherdienst, der mehr als zwei Sprachen umfasse. Berlin hat nach Informationen des Stockholmer Tageszeitung Svenska Dagbladet der schwedischen Präsidentschaft eine lange Liste von EU-Treffen zugehen lassen, bei der man Deutsch als eine der gedolmetschten Sprachen fordert. Gleichzeitig habe man, so Svenska Dagbladet, Stockholm wissen lassen, man verzichte auf die Forderung nach einem deutschen Übersetzungsdienst, wenn auch die französische Übersetzung entfalle. Was von den Schweden als Streit um die Vorherrschaft zwischen der deutschen und der französischen Sprache gewertet wird, ist für Berlin die zulässige Forderung nach gleichem Rechte für alle. Zur Übersetzung ins Deutsche war im Übrigen auch das kleine Land Portgual, das von Finnland die Präsidentschaft übernahm, bereit. Schließlich, so Lissabon, sei Deutschland die am häufigsten gesprochene Muttersprache in der EU.

SABINE HERRE, REINHARD WOLFF