Ein Sieg der Klimawarner

Die Klimaforscher sind sich einig: Die Atmosphäre erwärmt sich, Schuld ist der Mensch. Jetzt heißen die spannenden Fragen: Wie massiv kommt der Wandel? Kippt der Golfstrom um? Taut die Antarktis?

BERLIN taz ■ Wieder einmal hatte das Wetter die Wissenschaftler im Regen stehen lassen: „Weiße Weihnacht ade!“, verkündete im Dezember 2000 das Fraunhofer-Institut für Atmosphärische Umweltforschung in Garmisch-Partenkirchen. Der Dezember werde immer wärmer und Schnee an Heiligabend zur Ausnahme. Kurz darauf versank Norddeutschland in der weißesten Weihnacht seit 1986.

Doch von solchen Ausreißern abgesehen, sind sich die Experten beim Thema Klimawandel inzwischen weitgehend einig: Die Atmosphäre der Erde heizt sich seit einigen Jahrzehnten immer mehr auf, und der Mensch ist der hauptsächliche Verursacher. Auf einem Gebiet, das so schwer zu kalkulieren ist wie das Wetter beziehungsweise das Klima, ist das ein kleiner Durchbruch. Denn immerhin erzielen Wissenschaftler Aufmerksamkeit und Finanzierung vor allem durch abweichende Meinungen. Und noch in den Siebzigerjahren warnten die meisten Wissenschaftler vor einer Abkühlung, nicht vor einer Erwärmung des Globus.

Doch inzwischen steht die Front der Klimawarner. Immer leistungsstärkere Computer erlauben den Wissenschaftlern bessere Vorhersagen. „Das Vertrauen in die Klimamodelle hat zugenommen“, melden auch die Wissenschaftler des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Inzwischen gebe es „befriedigende Klimasimulationen“. Unter dem Druck der wissenschaftlichen Beweise ist auch die Global Climate Coalition aus Konzernen, die den Treibhauseffekt in Frage stellten, zerbröckelt: Nach den Autobauern Ford und DaimlerChrysler verließen auch die Ölkonzerne BP und Shell den Club der Leugner.

Die Wissenschaft kümmert sich inzwischen neben dem Problem, Klimagase zu reduzieren, vor allem um zwei Fragen: Wie können sich Menschen an den Klimawechsel anpassen und wie schnell und heftig wird der Klimawandel vor sich gehen. „Anpassung“ heißt nach Meinung des Klimaforschers Martin Parry von der Universität Norwich zu lernen, „anders mit Wasser umzugehen, andere Pflanzensorten anzupflanzen und auch im Gesundheitswesen auf andere Krankheiten, etwa die zunehmende Malaria, zu reagieren.“

Auf die Frage, wie schnell und gravierend der Klimawechsel stattfindet, bieten Wissenschaftler realistische Horrorszenarien an. Die Erde werde sich im 21. Jahrhundert um zwischen 1,4 und 5,6 Grad erwärmen, so die Schätzung. Sollte die Erwärmung am oberen Ende dieser Skala liegen, kann das dramatische Konsequenzen haben, sagt Kirsten Zickfeld vom Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam. „Je stärker und je schneller der Wandel vor sich geht, desto heftiger können die Folgen sein.“ So könnte etwa der Golfstrom seinen Lauf ändern und in Zukunft Westeuropa nicht mehr mit warmem Klima versorgen. Der Eisschild in der westlichen Antarktis könne schmelzen und den Pegel der Ozeane weiter erhöhen. „Eine massive Folge wäre auch eine Störung des Kohlenstoffkreislaufs“, so Zickfeld. So könne der Permafrostboden in den arktischen Regionen auftauen. Andere Wissenschaftler hätten errechnet, dass über dem tropischen Regenwald am Amazonas weniger Niederschläge fallen würden, was den Wald austrocknen würde. Sterbende Biomasse allerdings könne das Treibhausgas Kohlendioxid ausstoßen, statt es wie bisher zu binden. Das wäre der „galoppierende Treibhauseffekt“, so Zickfeld.

Aufmerksam verfolgen vor allem die Versicherungsunternehmen die Debatten der Klimaforscher. Denn Stürme und Fluten kosten sie Geld. Die Münchner Rückversicherung, die als Versicherer der Schadensversicherer agiert, hat im vergangenen Jahr 850 Katastrophen und weltweit 30 Milliarden US-Dollar Schaden registriert, 10.000 Menschen starben. „Das war ein sehr gutes Jahr“, sagt Thomas Loster von der Münchner Rück, denn 1999 starben 75.000 Menschen bei 100 Milliarden Dollar Schaden. BERNHARD PÖTTER