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: HELMUT HÖGE über wackere Wessifrauen

Eine Fallsammlung

Ich bin gerade dabei, ein kleines Kompendium der wackeren Wessifrau zusammenzustellen, die nach der Wende in den Osten ging und dort nun quasi ehrenamtlich gegen den rechten Ungeist kämpft. An erster Stelle steht bei mir Renate Kantelberg-Abdullah, die gebildete Frau des Apothekers im sächsischen Sebnitz. Sie hat den Irak während der Golfkrise live überlebt, ist also besonders unbeugsam. Mit Privatdetektiven ging sie erst gegen die lokale Ärzteschaft vor, die angeblich gegen die Apothekenbelange der neu hinzugezogenen Wessis arbeitete – mit einer Art Rezeptboykott? Dann investierte sie 20.000 Mark, um den wahren Mörder ihres im Schwimmbad verunglückten Sohnes zu finden. Auch dabei bekam sie es mit einer Art Ostkomplott zu tun, gegen das sie mit allen Mitteln – vor allem mit Westmedien und Neonazi-Experten aus dem Westen – kämpfte.

Die zweite ist Inka Bach, eine mit 16 nach Westberlin gezogenen Ostlerin. Die inzwischen Mutter gewordene Schriftstellerin hatte einige Wochen lang ein Literaturstipendium in Rheinsberg und nutzte dieses, um den dortigen Neonazis endlich mal in aller Ruhe nachzuspüren. Sie fand keine, aber je weniger sie überhaupt herausfand, desto unheimlicher und gemeiner geriet ihr die vom Neonazismus geradezu durchtränkte (also nur scheinbar friedliche) Atmosphäre der märkischen Tucholsky-Tourismusstadt. Ihr Buch darüber ist eine Groteske, Mark Siemons hat es gerade ziemlich gemein in der FAZ aufbereitet, Anett Gröschner zog eine Rezension dieses Buches leider wieder zurück, nachdem sie ihr zu „heftig“ geraten war.

Die dritte – Ursula Heldt – will erst ein Buch über ihre Erfahrungen mit Neonazis schreiben. Derzeit ist sie noch Chefin des Vereins „Horizonte“ – zur Wiedereingliederung straffällig gewordener Rechter auf Usedom. Der Bürgermeister von Wolgast hatte die Hanauer Boutiquenbesitzerin Heldt im Urlaub auf Mallorca kennen und wohl auch schätzen gelernt und ihr daraufhin den Job vermittelt. Auf Mallorca hatte sie sechs Jahre als Malerin gelebt, nebenbei arbeitete sie aber auch als Journalistin, wobei sie sich „als Fachfrau für Gewalt“ einen Namen machte. Auf Usedom wurde nun gerade ihr langhaariger Mann von einem ihrer glatzköpfigen Schützlinge zusammengeschlagen.

Die nächste heißt Luise Endlich, eine Wuppertalerin, die mit ihrem Mann nach Frankfurt/Oder zog – er bekam dort einen guten Job, sie nutzte die Zeit, um den Osten gründlich zu erforschen. Ihre „Humoresken“ veröffentlichte sie im Transit-Verlag unter den Buchtiteln „Neu-Land“ und „Ost-Wind“. Die darin porträtierten Ostler waren jedoch not amused. Die Autorin hat deswegen inzwischen das Land wieder – wahrscheinlich kopfschüttelnd – verlassen.

Diese vier wackeren „reifen“ Wessifrauen aus der westdeutschen Mittelschicht verkörpern für mich den alltäglichen Birgitbreuelismus im Osten. Man könnte auch noch die IG-Metall-Chefin von Eisenach dazu zählen, die sich tapfer mit dem ihrer Meinung nach zu karrieristischen Ostbetriebsrat bei Opel anlegte. Sie ist dort die Pionierin einer kämpferisch-effizienten Gewerkschaftsverwaltung, träumt jedoch davon, noch einmal weiter nach Osten zu ziehen. In Eisenach ist ihr inzwischen alles viel zu viel Routine geworden.

Auch die Pastorin von Horno ist solch eine Kämpferin: Sie war vorher Pastorin der Westberliner Gedächtniskirche und steht nun „auch theologisch voll auf Seiten der Hornoer“, die gegen die Abbaggerung ihres sorbischen Ortes durch die Energiefirma Laubag kämpfen. In diesem Zusammenhang legte sie sich sowohl mit der brandenburgischen SPD als auch mit ihren kirchlichen Vorgesetzten an. Denn die hatten für die betroffenen Hornoer nicht mehr als ein paar müde Gebete übrig.