Kurdenprozess
: Anklage will harte Strafen für Kurden

■ Mord am Bunker Valentin: Totschlag aus „niedrigen Beweggründen“

Gerechtigkeit ist eine Schnecke. Vor dem allseits erhofften baldigen Ende des Prozesses um den Doppelmord an einem jungen kurdischen Paar am Bunker Valentin im August 1999 stolperte die Verhandlung gestern von einer Pause in die nächste. Juristisch einwandfrei abgefedert stellten verschiedene Verteidiger auf die letzte Minute Beweisanträge, um kurz vor der drohenden Urteilsverkündung im Verfahren gegen vier Angeklagte möglichst sicher zu stellen, dass die Beteiligung ihrer Mandanten vom Gericht nicht falsch eingeschätzt würde.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer gehalten. Sie forderte Höchststrafen wegen Totschlags. Ein konkreter Mordauftrag an Ayse Dizim und ihrem Lebensgefährten Serif Alpsozman habe vor Mitternacht, als die beiden schon in den Händen ihrer späteren Mörder waren, tatsächlich noch nicht existiert. Insofern stimmte der Staatsanwalt einer früheren Richtungsentscheidung der Kammer zu, wonach für drei Angeklagte eine Verurteilung wegen Totschlags in Frage komme. Den Tötungsbefehl habe der polizeilich gesuchte PKK-Funktionär „Servet“ erst später in der Nacht gegeben – woraufhin die Tat stattfand.

Ayse wurde im Weserschlamm erstickt. Ihr Freund mit einem Radschlüssel brutal geschlagen – und dann überfahren.

Allerdings werde das Gericht nicht umhin kommen, auf niedrige Beweggründe zu erkennen, so der Staatsanwalt. „Eine Chance wurde dem jungen Paar nicht gegeben.“ So hätten die beauftragten Männer auch nicht bezweifelt, dass das junge Paar, das gegen den Willen der Familie zusammenlebte, sterben müsse. Nur einer der Täter habe protestiert – ob ausgerechnet er den Auftrag ausführen müsse. Entsprechend habe auch der von Mitangeklagten mehr oder weniger explizit belastete Mehmet E. als „Helfershelfer“ den Mordauftrag unwidersprochen weitergegeben. „Von der inneren Einstellung her identifizierte er sich mit dem Auftraggeber.“ Die brutale Tat folge der inneren Logik der verbotenen Partei, die ihre Ziele über das Wohl der ihr verbundenen Menschen stelle. Der Kriegsmärtyrer Alpsozman habe die Ordnung der Organisation gefährdet, weil er gegen alle Regeln eine junge Frau geheiratet hatte, deren Familie ihn für die PKK aufgenommen hatte.

Die Verteidiger Mehmet E.s, der in Bremen länger PKK-Raumverantwortlicher war, machten gestern gleich nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft klar, dass sie gegen die drohende Verurteilung ihres Mandanten alles unternehmen wollen. So stellten sie nach mehreren Beratungspausen eine geschlagene Stunde lang Beweisanträge. Die Verteidiger wollen zahlreiche Zeugen laden lassen, die belegen könnten, dass die PKK – und damit ihr Mandant – an der Bluttat kein Interesse gehabt habe. Allenfalls könne es sich um eine Art Amoklauf einer außer Kontrolle geratenen „Bande“ handeln. Wieder frischten sie die alte Verteidigungsposition auf, wonach Zeugenaussagen darauf hindeuteten, dass die beiden Getöteten vor der Familie der Ermordeten Angst gehabt hätten. Während ein Nebenklagevertreter der Familie knurrt, „alles ohne Substanz“, erwägen andere Verteidiger, sich den Beweisanträgen anzuschließen – über die das Gericht heute entscheidet. ede