Nur Optimismus hilft aus der Grütze

■ Streit um obligaten Optimismus in der Wirtschaftspolitik. Zur Analyse der Zahlen fällt dem Finanzsenator nicht viel ein. Entwurf für „Maßstäbe-Gesetz“ des Finanzausgleichs beschlossen.

Die Große Koalition hat „den Karren aus der Grütze gefahren“, wie CDU-Fraktionsvorsitzender Jens Eckhoff es gestern formulierte, und lässt sich von niemandem die gute Stimmung verderben. Die CDU-Fraktion hatte eine „Aktuelle Stunde“ der Bürgerschaft beantragt, um die guten Wirtschaftsdaten zu feiern. „Die Grünen wollen sich nicht freuen“, diagnostizierte Finanzsenator Hartmut Perschau. Sie betrieben mit ihrer Kritik „permanente Standortschädigung“. Und dann auch noch die Erklärung der Arbeitnehmerkammer! Dazu sei ihm „nicht viel eingefallen“, bekannte der Finanzsenator.

Und das sind die guten Zahlen: 3,3 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im vergangenen Jahr, 8.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr als im Vorjahr – Herz, was willst Du mehr! Von „irgendwelchen Schlaumeiern“ will sich Perschau seine „Projekte nicht kaputtreden“ lassen, sagte er – das ging an die Adresse der SPD wie der Kammer.

In den Räumen der Arbeitnehmerkammer hatte Bürgermeister Henning Scherf das „große Ziel, ab 2010 wieder Geberland zu werden“ im Finanzausgleich, formuliert.

„Die Zahlen sind lange nicht so rosig“, konterte die grüne Wirtschaftspolitikerin Helga Trüpel. Sie entsprächen im wesentlichen der bundesweiten Konjunktur. Die Arbeitnehmerkammer hatte dem Finanzsenator das im Detail vorgeführt: Das BIP-Wachstum der westdeutschen Bundesländer liegt bei 3,4 Prozent, Bremen hole nicht auf. Der sinnvollere Vergleich über mehrere Jahre zeige das auch.

Auch mit den 8.000 neuen Arbeitsplätzen liege Bremen nicht über dem Bundes-Trend. Aus internen Schätzungen weiß man, auch beim Statistischen Landesamt: Vor allem die alten 630-Mark-Jobs sind es, die in der Statistik als „neue Arbeitsplätze“ auftauchen. In der Arbeitslosen-Tabelle liegt Bremen nach vie vor ganz hinten – im westdeutschen Vergleich. Es kennzeichnet das Niveau der Diskussion, dass dem Bremer Finanzsenator zu Argumenten von Fachleuten schlicht „nicht viel einfällt“.

Und das Bremer Wirtschaftswachstum, analysierte Trüpel in der Parlamentsdebatte, hat nicht in den Bereichen stattgefunden, in denen mit dem Investitionsprogramm Impulse gegeben werden sollten, sondern in den alten, exportorientierten Wirtschaftszweigen.

Dies spiegelt sich in den bleibend hohen Zahlungen über den Länderfinanzausgleich wider. Um so wichtiger sind die Bemühungen des Bundeslandes, dass die Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes für die Nehmer-Länder nicht verschlechtert werden.

Der Entwurf für das „Maßstäbe-Gesetz“, den das Bundeskabinett in Berlin gestern verabschiedet hat, führt „zu einer Schlechterstellung des Stadtstaates Bremen“, hat der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel festgestellt. Die „Einwohnerwertung“ soll beibehalten werden, offen ist aber die konkrete Höhe. „Der Streit um das Ausmaß der Senkung ist nur vertagt“, sagt Hickel. Bremen bekommt von den anderen Bundesländern die Gelder für „oberzentrale Funktionen“, die „normale“ Landeshauptstädte sich aus dem kommunalen Finanzausgleich holen. Es werde in dem Gesetzentwurf zudem deutlich, sagt Hickel, dass der Bund seine „Ergänzungszahlungen“ an die finanzschwachen Länder reduzieren wolle, das bedroht den Ausgleich für die Hafenlasten und für die Kosten der Kleinheit.

Der Entwurf von Finanzminister Hans Eichel wische die Kompromisslinien beiseite, die die Länder gefunden haben, kritisierte der Baden-Württembergische Finanzminister Gerhard Stathaus (CDU). Der Bund will auf Kosten der reichen Länder sparen will.

Auch Hartmut Perschau forderte Veränderungen des Gesetzentwurfes. Er positioniert sich bei den Verhandlungen um den Finanzausgleich selbstredend nicht wie der Vertreter eines zukünftigen „Geberlandes“. K.W.