Die Papstmacher stehen bereit

Seit gestern werden in Rom 44 neue Kardinäle gekürt – darunter vier Deutsche. Mit Lehmann und Kasper sind zwei eher Liberale dabei, aber auch als Ausgleich zwei konservative Köpfe. Klar ist: Die Bedeutung der Deutschen im Konklave wird groß

von PHILIPP GESSLER

Rekordpapst Johannes Paul II. schreibt seit gestern mal wieder Geschichte: Noch bis heute ziehen sich die Feierlichkeiten zur Einführung von 44 neuen Kardinälen hin – so viele, wie noch nie in der knapp 2.000-jährigen Geschichte der katholischen Kirche. Mit der gestrigen Übergabe eines Biretts, eines scharlachroten Dreickshuts, auf dem Petersplatz und der heutigen Überreichung eines Rings hat der Papst das Kardinalskollegium nicht nur auf eine Rekordzahl von 184 Purpurträgern ausgeweitet. Der 80 Jahre alte und kranke Karol Wojtyła bestellt zugleich sein Haus. Denn die Kardinäle wählen seinen Nachfolger und bestimmen damit den Kurs der Kirche nach dem Tod des Polen auf dem Papstthron. Da hat Johannes Paul II. allerdings schon vorgesorgt – nur zehn der 135 wahlberechtigten Kardinäle hat er nicht selbst bestimmt.

Zugleich ist das kirchliche Spektakel, zu dem unter anderem Außenminister Joschka Fischer (Bündnisgrüne) aus Washington anreist, für die Kirche in Deutschland von großer Bedeutung. Denn der Papst erhebt gleich vier Deutsche zu Kardinälen, unter ihnen den Bischof von Mainz und Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann. Der 64-jährige Theologieprofessor galt schon seit Jahren als purpurwürdig, blieb aber stets ohne Kardinalshut. Im Vatikan wurde ihm seine jahrelange Suche nach einem Kompromiss im Streit mit Rom in Sachen Schwangerenkonfliktberatung angekreidet.

Umso mehr waren Vatikanologen denn auch überrascht, als Johannes Paul II. Bischof Lehmann am 28. Januar dann doch mit der zweithöchsten Würde der Kirche bedachte – eine Woche zuvor hatte er ihn noch in einer Gruppe von 37 neuen Kardinälen übergangen. Möglich erscheint vielen Vatikankennern, dass der Papst den Unmut in den deutschen Bistümern – immerhin gehören sie zu den weltweit größten Zahlern der Kirche – beruhigen wollte, da die Deutschen schon seit Jahren mit einsamen Entscheidungen Roms, etwa bei Bischofsernennungen, brüskiert worden waren. Gerüchte besagen zudem, dass der polnische Erzbischof Alfons Nossol für Lehmann ein Wort eingelegt hat.

Typisch war jedoch, dass der Papst als Ausgleich für den eher liberalen Lehmann zugleich den Paderborner Bischof Johannes Joachim Degenhardt (75) nachnominierte: Der etwas farblose Oberhirte gilt als konservativ, was er durch seinen harten Kurs etwa im Konflikt mit dem Kirchenkritiker Eugen Drewermann deutlich machte.

Progressiver ist dagegen der dritte neue Deutsche im Kardinalsrock, Walter Kasper (67). Der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart ist seit März 1999 als Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen so etwas wie der kommende Mann im Ökumene-Ministerium des Vatikans. Kasper hat sich in letzter Zeit ein wenig als liberaler Gegenspieler des Präfekten der Glaubenskongregation in Rom, Joseph Kardinal Ratzinger, profiliert. Doch auch hier suchte der Papst einen Ausgleich: Als konservatives Pendant zu Kasper ernannte er den Münchner Theologen Leo Scheffczyk. Der 81-Jährige lehnt unter anderem die von vielen Christen der großen Kirchen geforderte Abendmahlsgemeinschaft ab.

Der Papst hat mit der Nominierung der Deutschen ihre Bedeutung bei der nächsten Papstwahl bedeutend erhöht. Nach den Amerikanern und den Italienern hätten sie im nächsten Konklave die drittgrößte Truppe. Zwar ist praktisch undenkbar, dass einer der Deutschen zum Nachfolger Petri gewählt wird. Aber Lehmann und Ratzinger gelten als mögliche Papstmacher – auf entgegengesetzten Seiten.