Die USA als der Welttyrann

Der latente Hass auf die Vereinigten Staaten ist seit der Bombardierung des Irak in den arabischen Ländern weiter gestiegen. Zum Besuch des US-Außenministers Powell im Nahen Osten ruft der Irak die arabische Welt zum „Tag des Zorns“ auf

aus Kairo ASTRID FREFEL

„Der 24. Februar soll ein Tag des Protestes gegen den Besuch von Colin Powell sein und mit allen Mitteln den Ärger über die Ver brechen gegen den Irak und das palästinensische Volk zeigen.“ Diese Worte stammen aus einem Brief, den der irakische Parlamentspräsident an die Parlamente der arabischen Staaten senden ließ.

Zu Protesten in verschiedenen arabischen Städten kam es nach den Bombenangriffen auf Bagdad auch ohne diese Aufforderung. In der irakischen Metropole selbst gingen mehrere zehntausend Menschen auf die Straße, um ihrer Wut Luft zu machen. In Kairo waren es vor allem die Studenten, die ihren Unmut äußerten. Aber wie in früheren Fällen hinderte die Polizei die Demonstranten in der Kairo-Universität und in der Ain-Shams-Universität daran, das Hochschulgelände zu verlassen.

Die Bomben auf Bagdad haben die ohnehin gespannte Atmosphäre in der arabischen Welt und den latenten Hass gegen die USA in weiten Kreisen der Bevölkerung weiter geschürt. Es war kein Zufall, dass sich unter den Demonstranten in Bagdad viele Palästinenser befanden und dass auch die Reaktion in Gasa besonders heftig ausfiel. Von Saddam Hussein kam in den vergangenen Monaten die tatkräftigste Unterstützung für die palästinensische Intifada. Irakische Zeitungen interpretierten den Luftschlag denn auch als Strafaktion für diese Haltung. Von schlecht zu schlimmer habe sich die Situation verändert, lautete deshalb der Tenor in der Region.

Viele arabische Kommentatoren sahen sich in ihrer Prognose bestärkt, dass die amerikanische Regierung dem israelisch-palästinensischen Konflikt nicht die oberste Priorität einräumen und gegen den Irak eine härtere Gangart einschlagen werden. Amerika spiele nicht etwa die Rolle eines Weltpolizisten, sondern die eines Tyrannen, der anderen seine eigenen Gesetze aufzwinge, schrieb der Kolumnist der ägyptischen Tageszeitung al-Ahram. Libanesische Blätter stellten die Frage, weshalb Bush den bevorstehenden Nahostbesuch von Außenminister Colin Powell mit Bomben vorbereite. Ihre Antwort: Die Luftangriffe waren eine Warnung an all jene Länder, die in den vergangenen Monaten versucht haben, ein Mindestmaß an arabischer Einheit herzustellen oder selbst engere Bindungen an den Irak geknüpft haben.

Bis jetzt suchen zwar alle noch nach Schlupflöchern, um das Embargo zu umgehen. Sollte aber eines der Kernländer tatsächlich ausscheren, dürfte es kein Halten mehr geben in dem Rennen, sich einen möglichst großen Anteil an dem Geschäft mit dem Irak zu sichern. Die Schläge gegen Bagdad sollten deshalb ein Klima von Krieg und Erpressung schaffen.

Zu den betroffenen Ländern gehören insbesondere Ägypten, das kürzlich den irakischen Vizepräsidenten Taha Yassin Ramadan in Kairo empfangen und einen Freihandelsvertrag geschlossen hatte, der in diesen Tagen in Kraft getreten ist. Aber auch Syrien zog sich die Kritik der USA zu, nachdem ein Flugzeug der irakischen Fluggesellschaft in Damaskus landen konnte, ohne vorher die Bewilligung des UN-Embargo-Committees abzuwarten. Über die wiedereröffnete Pipeline zwischen den beiden Nachbarn kann Irak zudem Öl am Sanktionsregime vorbeischmuggeln.

Mit der Nahostreise von Powell nach Israel, Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien, Kuwait und in die Palästinensergebiete will die USA diese Regierungen überzeugen, dass Saddam weiterhin eine Bedrohung für sie darstellt und die Sanktionen deshalb strikt einzuhalten sind. Einig sind sich viele arabische Analytiker auch, dass die amerikanischen Drohungen nicht zufällig in die Wochen vor dem arabischen Gipfel fallen, der für Ende März in Amman geplant ist. In der jordanischen Hauptstadt soll auch ein Vorschlag diskutiert werden, wonach die arabische Seite in Zukunft mit einer einzigen Delegation aus Syrern, Libanesen und Palästinensern die Verhandlungen mit Israel führen würde. Weiter soll auf syrische Initiative ein neuer Anlauf zu einem Boykott gegen amerikanische Waren und Dienstleistungen lanciert werden. Alle Bestrebungen einer Normalisierung der innerarabischen Beziehungen zu untergraben, das sei das Ziel der amerikanischen Politik, heißt es in eniem Editorial der libanesischen Tageszeitung al-Safir.