Fischer hauen, auf Fischer bauen

Eine Partei hat Beißhemmung: Die Grünen kritisieren die verständnisvolle Haltung Joschka Fischers zu den Irak-Luftangriffen. Trotzdem stehen sie hinter dem Außenminister. Allein Jürgen Trittin löst mit seinem Verweis auf die empörte Basis Unmut aus

von JENS KÖNIG

Eine Partei im Zustand höchster Erregung benimmt sich anders, unberechenbarer, hysterischer – jedenfalls nicht so wie die Grünen in den vergangenen zwei Tagen. Deutliche Kritik an Joschka Fischers verständnisvoller Haltung zu den jüngsten Luftschlägen gegen den Irak gibt es fast überall in der Partei. Aber wer auch immer sich dazu äußert, er schickt sofort hinterher, dass das nicht als Distanzierung vom grünen Außenminister zu verstehen sei. Angelika Beer, die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, benennt kühl und genau die unterschiedlichen Positionen Fischers und der Partei in der Irak-Frage. Aber sie wird fast leidenschaftlich, wenn es um den Außenminister selbst geht: „Die Partei steht hundertprozentig hinter ihm.“

Die Grünen befinden sich in einer Situation, die für sie so ungewohnt ist, dass die ersten Versuche, damit klarzukommen, noch etwas ungelenk wirken. Die Debatte um die militante Jugend Fischers, die viele Grüne als eine stellvertretende Auseinandersetzung über ihre eigene Vergangenheit empfinden, hat die Partei mit ihrem Übervater wieder zusammengeschweißt. Diese neue Verbundenheit macht es vielen schwer, ihren Außenminister anzugreifen. „Es gibt in der Partei eine Beißhemmung gegenüber Fischer“, sagt der Chef eines großen Landesverbandes, auf den sich die Vorsicht ebenfalls übertragen hat, sodass er namentlich nicht genannt werden will. Viele Grüne hätten das Gefühl, offene Kritik am Außenminister würde der Anti-Fischer-Kampagne der Union und der FDP in die Hände spielen. Wirklich gefährlich werde es für Fischer dann, so der Landeschef, wenn der Eindruck entstehe, er sei als Außenminister nicht mehr frei in seinen Entscheidungen. Behaupteten die Grünen aber öffentlich, Fischer lasse sich von den Amerikanern auf der Nase rumtanzen, dann würden sie indirekt den Vorwurf untermauern, er sei wegen seiner Vergangenheit politisch erpressbar.

Die grüne Parteiführung ahnt diese Gefahr. Deswegen war sie erkennbar bemüht, den Brand auszutreten, bevor er sich ausbreiten konnte. Parteichef Fritz Kuhn telefonierte Mittwochmittag mit Fischer in Washington und gab danach die Sprachregelung bekannt: Es gebe Besorgnis in der Partei, aber keine Empörung. Positiv sei vor allem, dass sich die US-Regierung bei den Gesprächen für eine politische Lösung des Irak-Konflikts ausgesprochen habe. Diese Haltung des Bundesvorstandes vermittelten Kuhn und Geschäftsführer Reinhard Bütikofer gestern Nachmittag den Chefs der Landesverbände in einer Telefon-Schaltkonferenz. Verärgerung in der Parteiführung gab es über den Urheber der angeblichen Empörung bei den Grünen: Umweltminister Trittin. Dieser hatte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz fast nebenbei erwähnt, dass seine Mailbox mit Anrufen der Basis überlaufe. Die Stimmung in der Partei, so Trittin, reiche von Unverständnis bis Empörung. Die Aufgabe, ihn zurechtzuweisen, übernahm Fraktionschef Rezzo Schlauch. Fischer sei Außenminister des ganzen Landes und nicht nur der Grünen. Fischers USA-Reise sei der schwierige Antrittsbesuch bei einem der wichtigsten Verbündeten gewesen, so Schlauch. Da tue man nicht gut daran, öffentlich gleich „die große Kritikkeule“ auszupacken.

Im Umfeld des Außenministers hält man Trittins Worte nicht für Zufall. Es sei ein „durchsichtiges Ablenkungsmanöver“. Der Umweltminister wolle den Ärger vergessen machen, den er mit der grünen Basis wegen der Castor-Transporte hat, heißt es. Ansonsten allenthalben Entwarnung: Man werde über alles in Ruhe reden, wenn Fischer wieder in Berlin ist.