Klärwerk der Seele

■ Rainer Mennicken beim Staatstheater Oldenburg: neuer Intendant, neues Konzept

Für Alexander Kluge war das Theater ein „Kraftwerk der Gefühle“, Rainer Mennicken spricht lieber vom „Klärwerk der Seele“, setzt also auf die kathartische Wirkung der Kunst. Wie er die für Oldenburg erreichen will stellte der designierte Generalintendant am Staatstheater jetzt vor. Erst mal wird ausgemistet: Ein Drittel des Schauspielensembles darf bleiben, zwei Drittel müssen gehen (unter anderem Roman Kohnle). Dafür kommen Kollegen von Mennickes früheren Wirkungsort Konstanz und zu einem weiteren Drittel ganz neue Leute.

Als zusätzliches Mitbringsel vom Bodensee wird Dr. Dirk Olaf Henke leitender Dramaturg für das Schauspiel und Alexander Rumpf neuer Generalmusikdirektor. Auf offene Strukturen setzt Rainer Mennicken, im Haus selbst aber auch nach außen. „Wir werden versuchen, an der Universität anzudocken“, es wird eine lange Nacht der StudentInnen geben (Oktober 2001), wo Studis auf großer Bühne ihr Können zeigen dürfen. Außerdem wird der Dienstag StudentInnentag: Wer einen entsprechenden Ausweis besitzt, darf für zwölf Mark in jede gewünschte Aufführung.

Ran an neue Zuschauer also, weg vom Abonnentenspeck, scheint die Devise zu lauten. Dafür spricht auch die Einrichtung einer kleinen Experimentierbühne „für den Schnittlauch im Salat“. Dazu wird die jetzige Probebühne umgebaut, 70 Leute sollen hier Platz haben, für Late-Night-Veranstaltungen, Lesungen, und andere Angebote, die in Eigenregie der Schauspieler laufen könnten. Zu Probenzwecken wird dann eine Garage umgebaut, für das ganze Unterfangen steuert das Land Niedersachsen die Deckungssumme von 120.000 DM bei. Auf großer Bühne geht's im Schauspiel am 13. Oktober dann los, mit den „Comedian Harmonists“ (Gottfried Greifenhagen), was scheinbar Mennickens Vorstellung von einem Theater, das „vital, realistisch, phantasie- und humorvoll“ ist, entspricht.

Auf mehr Humor wird auch im Tanz gesetzt. Denn mit der neuen Tanzkompanie „MS Schrittmacher“ aus Berlin (erstmals in Oldenburg am 9. März) wird es eine andere Tanzsprache geben, als die OldenburgerInnen von Irina Pauls gewohnt sind. Tanzchef Martin Stiefermann setze stärker auf die reine Bewegungssprache des Körpers zur Musik, erläuterte dessen Dramaturg und Manager Dirk Elwert im Gespräch. „Natürlich geht es dabei auch um komplexe Stoffe, denn zum Beispiel „Romeo und Julia“ (Premiere am 3. Oktober zu Prokofjew) hat ja auch tiefere Ebenen, als nur die Liebesgeschichte.“

Die „Tanzcompanie Oldenburg- MS Schrittmacher“ wird vier Tanzpremieren erarbeiten. Dazu kommen zwei Stücke, die ein Berliner Ableger der Truppe entwickelt und auch den Oldenburgern zeigt. Der Berliner Teil der Truppe arbeitet weiterhin frei, unterstützt vom Berliner Senat. „Als klar wurde, dass wir nach Oldenburg gehen würden, kam dieses Angebot vom Senat“, erzählt Dirk Elwert. „Daher haben wir jetzt diese Situation eines halb festen, halb freien Ensembles.“

Auch in anderen Bereichen setzt Rainer Menniken auf Öffnung. Gespräche habe es in der freien Theaterszene Oldenburg gegeben und mit anderen Kulturinstitutionen, „nicht, um zu machen, was andere auch können, sondern um zu gucken, was man zusammen besser machen kann“. Zunächst aber mit einem Hamburger Ensemble: das „Theater Triebwerk“, seit 1995 auf Kampnagel aktiv, wird „Macbeth“ von William Shakespeare inszenieren. Alexander Rumpf verspricht dem Oldenburgischen Publikum eine Weiterführung der Mischung aus Uraufführungen und der großen italienischen Oper. Ein weiterer Schwerpunkt werde die Musik der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, und man werde vom Spielplankonzept her spartenübergreifend thematisch arbieten. Und als erstes Highlight seiner Intendanz darf Rainer Menniken Ende Juni 2002 das „Deutsche Theatertreffen“ auf den Oldenburger Staatsbühnen präsentieren. M. Gerwin