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: HELMUT HÖGE über Doppelstrategien

Täter-Momper und Momper-Opfer

„Momper in Polen ausgeraubt!“ titelte die BZ in dieser Woche. Vor einigen Monaten hieß es „Attentat auf Walter Momper“ und davor „Walter Momper zusammengeschlagen“ – oder so ähnlich. Und das war nicht das erste Mal. Dazwischen hieß es vor und nach dem Wahlkampf „Momper abserviert“, „Momper als Bau-Unternehmer umstritten“ usw. Nach seiner gloriosen, aber kurzen Bürgermeisterzeit während der Maueröffnung und der so genanntenWende kritisierte man zunächst seinen „autoritären Stil“: Senatorinnen hätten mitunter weinend den Sitzungssaal verlassen, hieß es.

Gerd Nowakowski (damals taz, jetzt Tagesspiegel) versuchte 1998 gegenzusteuern – in einem Buch über die VIPs von Berlin. Den Beitrag über Momper bot er mir an, zu schreiben. Aber dann war der ihm nicht seriös genug. Dabei war der Beitrag nicht hämisch, und ich gelte als Momperianer – seitdem ich ab Dezember 89 mit der „Brigade Walter Momper“ in der LPG „Florian Geyer“ arbeitete. Momper selbst wusste das in der damaligen „Wahnsinns“-Befindlichkeit gar nicht richtig zu würdigen.

Vielleicht war ihm unsere Stoßbrigade peinlich? Nicht nur stamme ich aus Bremen, wie er bin auch ich regelmäßig in den Hafen gegangen, um von dort alles Mögliche rauszuschmuggeln. Mit dem Unterschied allerdings, dass Momper irgendwann geschnappt wurde (angeblich mit ein paar Südfrüchten) und „Hafenverbot“ bekam.

Dieses Verbot hatte er schon vergessen, als er Chef der Historischen Kommission zu Berlin wurde. Aber irgendwelche Neider erinnerten ihn wieder daran, als er in der Wende allzu populär wurde: Es hagelte wieder Häme in der Presse – „Momper der Apfelsinenklauer“. Die Bremer SPD-Genossen in der Hafenverwaltung wurden geradezu angewiesen, sofort sein altes „Hafenverbot“ aufzuheben. Dies geschah dann auch – in einer regelrechten Feierstunde zu Berlin.

Nach einer Willy-Brand-Enkel-Kür trat der andere Momper in Erscheinung – der pflichtschuldige: die Räumung der Mainzer Straße. Ich schämte mich, ausgerechnet in der „Stoßbrigade Walter Momper“ an der Produktionsfront gekämpft zu haben. Wütend verbrannte ich meinen roten Schal! Hätte ich es nicht wissen müssen? Dass diese verdammten Sozialdemokraten in Gefahr und Not immer eine Doppelstrategie verfolgen?

So rief der eine SPD-Senator in Bremen anlässlich der Randalen bei der Bundeswehrvereidigung im Werder-Stadion beim DGB in Hannover an und bat um massive Unterstützung der Proteste durch die Gewerkschaftsjugend. Ein anderer Senator rief zur gleichen Zeit in Hannover beim Innenministerium an und verlangte mehr Polizisten – gegen die Demonstranten . . .

So ist auch Walter Momper in einer Person: immer Täter und Opfer zugleich sein – oder kurz hintereinander. Erst lässt er prügeln, dann wird er persönlich verprügelt. Bei den älteren Sozialdemokraten war das noch getrennt: Noske und Liebknecht, der Bolschewist Wehner und der Unternehmer Rosenthal usw.

Die taz druckte mal einen Spitzelbericht des IM Willy Brandt an seinen Führungsoffizier Wilhelm Reich von der spanischen Front ab! In dem es jedoch – immerhin! – um die sexuelle Freiheit der spanischen Komsomolzen und Komsomolzinnen ging, mit der es im übrigen – laut Willy Brandt – nicht weit her war. Hier haben wir bereits den Knick in der Optik.

Bei Mompers Mentor, dem Bremer Bürgermeister Koschnick, „Weinbrandtrinker wie Willy“, fiel dann bereits vieles in eins: So konnte er im Parlament die CDU bis zum Äußersten bekämpfen und beschimpfen, aber jeden Mittwoch spielte er mit den führenden CDUlern im Restaurant „Munte 2“ Karten.

Mompers doppelstrategisches Talent kam dann – 1992 – auch bei der ostdeutschen Betriebsräteinitiative zum Tragen, die – von den Einzelgewerkschaften angefeindet – immer PDS-näher wurde. Momper gab sich deswegen dafür her, eine SPD-Betriebsräteinitiative zu starten, um die spontan entstandene zu spalten. Er verdoppelte sie jedoch nur, das heißt wir trafen uns fürderhin alle einmal autonom, aber nüchtern im DGB-Haus – und ein andermal in der SPD-Zentrale, wo es Saft, Kaffee, Rotwein und Schnittchen gab.

Als Moderator war Momper in der Tat ziemlich autoritär. Nach jeder Sitzung sagte er zu mir: „Jetzt haben Sie wieder genug zum Schreiben!“ Dabei war das schon in den Sitzungen im DGB-Haus zuvor alles durchgekaut worden. Momper brachte die Betriebsräte sowohl mit sozialdemokratischen Treuhand-Managern zusammen, als auch mit den SPD-Dichtern Rolf Hochhuth und Günter Grass, die daraus später ihre treuhandkritischen Werke schnitzten. Aber die Betriebsräteinitiative zerfiel, und die führenden SPD-Genossen gingen die Wirtschaft frontal an: Momper eröffnete ein Baubetreuungsbüro mit einem Teilhaber und zwei netten Sekretärinnen.

So sehr mich der Täter-Momper entsetzt, so sympathisch ist mir das Momper-Opfer. Kaum fährt er mal nach Polen, schon wird er ausgeraubt! Das ist endlich mal einer, der die die ganzen Widersprüche des Spätkapitalismus am eigenen Leib erfährt – auslotet. Und seine Frau – die Lehrerin – immer mittenmang. In unserem Stoßbrigadebericht „Babelsberg“ haben wir einmal ihre ureigene Doppelstrategie herauszuarbeitet – am Beispiel ihrer Jurytätigkeit für die „Ku’damm-Kunstmeile“, wo dann ausgerechnet der Immobilienkünstler Karsten Klingbeil den ersten Preis gewann (hinterher lobte er Frau Mompers Kunstverstand über alle Maßen).

Auch hier: Als Täter-Momper befremdete sie uns, aber als polnisches Momper-Opfer war sie mal wieder eine Spitzenfrau! So wünsch ich mir die ganze Sozialdemokratie.