Ein Lebensschlachtdenkmal

Sächsisch, realsozialistisch, detailverliebt – Erich Loest ist seinem Thema immer treu geblieben

von NICK REIMER

Ein Mann wird vom Staatssicherheitsdienst verhaftet. Sein Beruf: Wärter des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig. Sein Vergehen: versuchte Sprengung desselben. Von den Schlachtfeldern napoleonischer Zeit, dem wilhelminischen Pomp bei der Monumenteinweihung bis zum sozialistischen Staatstourismus – im Verhör weist der Denkmalswärter der Stasi die klare Notwendigkeit der geplanten Tat nach. Sein Name: Carl Friedrich Fürchtegott Vojciech Felix Alfred Linden.

Sächsisch, historisch, realsozialistisch, detailverliebt – der typische Stoff des Schriftstellers Erich Loest sieht aus wie in seinem Buch „Völkerschlachtdenkmal“. Selbst Jahre nach dem Ende des „ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates“ bleibt Loest, heute vor 75 Jahren im sächsichen Mittweida geboren, diesem Thema treu. „Gute Genossen“ heißt sein jüngstes Buch, das den Aufstieg und Fall einer etablierten DDR-Familie in den 70ern beschreibt.

Das Festhalten an dieser Thematik hat viel mit seiner Biografie zu tun: Loest war in der jungen DDR überzeugter Kommunist. Nach dem 17. Juni 1953 begann der Leipziger Literaturstudent zuerst leise, nach dem blutigen Ungarnaufstand laut über Entstalinisierung nachzudenken. Das brachte ihm sieben Jahre Knast in Bautzen – wegen konterrevolutionärer Umtriebe.

Nach der Entlassung wurde das Schreiben für Loest zunehmend zur Selbstrehabilitation und Lebensstrategie. Die entsprechend kritischen Produkte isolierten ihn mehr und mehr. Doch selbst als Loest Anfang der 80er-Jahre aus der DDR geekelt wurde und sehr schnell in der westdeutschen Literaturszene einen anerkannten Platz fand, blieb er seinem Thema treu.

Sicherlich, Preise hat er bekommen – zuhauf sogar. Die honorierten aber zumeist den politischen Menschen Loest und nicht den Schriftsteller. Einem breiten Publikum richtig bekanntwurde der begnadete Erzähler erst mit seinem später verfilmten Buch „Nikolaikirche“, das die Wendewirren „in meiner Stadt“, in Leipzig, beschrieb. Dabei war Loest gar nicht zugegen, als die Sachsen revoltierten. Gedrängt, den Stoff zu verarbeiten, hat ihn schließlich Günter Grass: „Erich, du musst das schreiben!“

Natürlich wohnt Loest heute wieder in Leipzig. Mit Verlegern streiten muss er sich schon lange nicht mehr. Vor zehn Jahren gründete Sohn Thomas den Linden-Verlag – benannt nach dem Wärter des Völkerschlachtdenkmals. Und auch sonst scheint Loest mit seinem Leben ganz zufrieden: „Ich bin nicht muggsch. Ich habe beruhigend niedrigen Blutdruck. Und ich bin Sachse.“