DIE VEREINIGTEN STAATEN, IHRE BOMBEN UND DIE DEUTSCHEN
: Wir sind nicht Private Ryan

Menschen beziehen ihre Identität aus den Kollektiven, denen sie angehören. Ihr Lebensgefühl hängt davon ab, ob dieses Kollektiv stark und erfolgreich ist – oder schwach und verletzlich. Wir armen Deutschen haben schlimme Jahre hinter uns, in denen wir uns in ein Kollektiv gezwungen sahen, das Verlierer war und überdies mit Schuld beladen. Wir mussten – und müssen zu gewissen Feierlichkeiten bis heute – mit gesenktem Kopf dastehen. Deshalb ist das Bedürfnis stark, sich in einen anderen, größeren und fröhlicheren Zusammenhang einzuordnen, in ein Kollektiv, das auf der Siegerseite steht. Wir haben uns den Amerikanern nicht nur unterworfen – wir haben uns integrieren lassen. Jetzt ist ihre Kraft unsere Kraft, und ihre Siege sind unsere Siege. Private Ryan ist einer von uns.

Durch den amerikanischen Regierungswechsel ist allerdings eine Veränderung eingetreten: So, wie es bisher einen gewissen Zusammenhang zwischen der rot-grünen Koalition und der Clinton-Regierung gab, hat jetzt die CDU die engere Verbindung zum Sieger. Wenn sie diese Chance nutzt, kann sie US-Erfolge auf ihrem Konto verbuchen. Mit größerer Berechtigung kann sich nämlich der Union wählende Fernsehzuschauer bei der Betrachtung der Militäraktionen sagen: „Das haben wir gut gemacht! Gegen uns kommt keiner an!“

Die Reaktionen auf das Bombardement im Irak haben diesen Unterschied schon illustriert. Während Fischer nur hauchen konnte: „Ich habe unsere Verbündeten nicht zu kritisieren“, konnte Stoiber stramm sagen: „Das war absolut notwendig!“ Und so wird es bleiben. Die rot-grüne Bundesregierung wird der republikanischen US-Administration nie ganz grün werden. Unbefangenes Sich-selbst-auf-die-Brust-Klopfen bleibt somit CDU/CSU-Kreisen vorbehalten.

Schröder, Fischer und Co. tun deshalb gut daran, ihre Chance woanders zu suchen. Bushs Maxime heißt „Auf die Fresse!“, und das ruft in Europa Gegenkräfte wach. Es wird sich ein wachsendes Kollektiv zusammenfinden, das sein Wir-Gefühl aus anderen Inhalten zieht: aus der Loyalität zum Völkerrecht, aus der Loyalität zur UNO, aus der Idee einer Welteinigung in Frieden. Rot-Grün muss für dieses Kollektiv wählbar sein. SIBYLLE TÖNNIES