Plädoyers interessieren Drach nicht

Im Reemtsma-Prozess verlangt die Staatsanwaltschaft für Thomas Drach, den Kopf der Entführerbande, vierzehneinhalb Jahre Haft. Die Forderung des Nebenklägers, ihn nach der Haft in Sicherheitsverwahrung zu nehmen, wird vorerst abgelehnt

aus Hamburg JAN FEDDERSEN

Johann Schwenn, Anwalt des Nebenklägers, will es auf eine höchstrichterliche Entscheidung ankommen lassen: Muss Thomas Drach, hauptverantwortlich für die Entführung von Jan Philipp Reemtsma, nach seiner Haftstrafe in Sicherheitsverwahrung?

Der Angeklagte hörte es gestern ungerührt. Er wirkte wie unbeteiligt beim juristischen Disput zwischen den Richtern, der Staatsanwaltschaft und eben der Nebenklage. Als Schwenn gestern, am Tag des Beginns der Plädoyers, seine Sicht auf des Prozesses darzulegen suchte, kam es zur einzigen sichtbaren Erregung: Drach plauderte in dessen Ausführung hinein mit seinen Anwälten. Schwenn nannte dies eine „Flegelei“, die obendrein belege, wie taktisch die Entschuldigung des Täters seinem Opfer gegenüber inspiriert gewesen sei.

Das Gericht hatte zuvor die Bestellung eines Gutachters zur nachhaftlichen Sicherheitsverwahrung Drachs abgelehnt. Dafür fehle es an den formellen Voraussetzungen. In Betracht wäre dies nur gekommen, wenn zwischen dem neuerlichen Verbrechen und dem vorhergehenden höchstens fünf Jahre lägen. Die Entführung Reemtsmas fand im März 1996 statt, fünfeinhalb Jahre nachdem Drach seine letzte Haftstrafe verbüßt hatte. Schwenn argumentierte, nicht die konkrete Tat zähle, sondern schon der Plan: Und der Plan sei von Drach und seinen Komplizen bereits im Juni 1995 gefasst worden. Eine Sicherheitsverwahrung sei nötig, weil der Angeklagte keine Zeichen von wirklicher Reue gezeigt habe. Indiz hierfür sei auch, dass er die Schuld an der langen Geiselhaft Reemtsmas bei dessen Angehörigen und bei der Polizei gesucht habe. Zudem habe Drach keine Hinweise für den Verbleib des Löwenanteils der Beute von 30 Millionen Mark gegeben, so Schwenn. Wie bei den Frankfurter Fiszmans, die zweimal Opfer einer Entführung waren, seien auch im Falle Drachs die Leiden der Familie Grund genug, den Angeklagten mehr als 15 Jahre – die gesetzlich zulässige Höchststrafe – in Unfreiheit zu lassen.

Staatsanwalt Stechmann verneinte mit Hinweis auf entsprechende Urteile des Bundesgerichtshof die Zulässigkeit einer Sicherheitsverwahrung: Fünf Jahre nach Drachs letzter Haftstrafe habe es zwar im weiteren Sinne den Plan gegeben, einen Menschen zu entführen, doch seien weder der genaue Ort noch das Opfer sowie die Details des Plans klar gewesen. Sosehr er dem Angeklagten am liebsten die Sicherheitsverwahrung angedeihen lassen wollte – aus Gründen der Tat ebenso wie aus Gründen des Charakters Drachs –, so sehr genau sei das Recht formuliert, das ebendies im Falle Drachs verneine.

Darüber hinaus ließ Stechmann die Beweiserhebung der Hauptverhandlung Revue passieren. Akribisch wies er nach, Drach wolle es nach wie vor darauf ankommen lassen, dass sich dieses Verbrechen für ihn lohne: kein Wort über das Lösegeld. Dessen Hinweis darauf, dass Komplize Wolfgang Koszics die Hälfte der Summe erhalten habe, wies Stechmann mit einer Fülle von Hinweisen zurück: Es sei zwischen der Lösegeldübergabe bei Köln und dem Servieren des letzten Frühstücks für Reemtsma in dessen Geiselkeller nahe Bremen nicht genug Zeit für Koszics gewesen, von Drach rund 15 Millionen Mark zu erhalten. Sinnlos wäre die Theorie ohnedies deshalb, weil bislang auch seitens Drachs immer nur von einem senderfreien Metallkoffer die Rede gewesen sei – mit Hilfe dieses Koffers sollte gewährleistet sein, dass die Polizei in den Haufen Lösegeld keinen Peilsender versteckte. Vierzehn Jahre und sechs Monate forderte Stechmann als Strafe für Drach; Johann Schwenn forderte die vollen fünfzehn Jahre. Beide waren sich allerdings einig, dass die Bedingungen in argentinischer Auslieferungshaft für Drach nicht strafmindernd seien. Die dortigen Haftbedingungen seien mit Hilfe von Reemtsmas Geld besser gewesen, als dies selbst in deutschen Gefängnissen üblich sei.