Die Briten glauben ihren Politikern

aus London RALF SOTSCHECK

Die Roastbeef-Nation will nicht auf ihre Leibspeise verzichten. Der Rindfleischverbrauch nähert sich in Großbritannien wieder dem Stand an, als das Vieh noch für gesund gehalten wurde und mahnende Wissenschaftler als Appetitverderber galten. 1990 aß jeder Brite und jede Britin 17,2 Kilogramm Beef im Jahr, ob als Steak, als Sonntagsbraten oder in den beliebten Fleischpasteten, und dabei blieb es auch, als über 30.000 Rinder im Jahr an der Seuche starben.

Nur 1996 war der Verbrauch zurückgegangen: Als die Londoner Regierung zugeben musste, dass der Rinderwahnsinn auf den Menschen übertragen werden kann, verspeisten die Briten nur noch 12,8 Kilogramm pro Kopf – ein Rückgang um 18 Prozent. Davon träumen Deutschlands Fleischerzeuger zur Zeit. Seitdem ging es in Britannien wieder stetig aufwärts mit dem Rindfleischkonsum. Im Jahr 1999 lag der Prokopfverbrauch bei 15,5 Kilogramm. Der Run aufs Beef hat zum Teil nationalistische Gründe: Als die EU auf dem Höhepunkt der BSE-Krise ein Exportverbot für britisches Rindfleisch verhängte, interpretierten die Boulevardzeitungen das als unfairen Kampf um die Märkte – was es zum Teil ja auch war, beerdigte man doch in Frankreich und Deutschland die BSE-Kühe klammheimlich.

Hinzu kommt, dass die Briten noch immer ihren Politikern glauben: Nach jeder Hiobsbotschaft ergriff die jeweilige Londoner Regierung Minimalmaßnahmen und verkündete, dass britisches Rindfleisch fortan sicher sei. Der Bauernverband prophezeit sogar, dass Britannien im nächsten Jahr, spätestens jedoch 2003, vom zuständigen Office International des Epizooties (OIE) als „Land mit geringer BSE-Vorkommnis“ eingestuft werden müsse. Dieses Prädikat wird Ländern mit weniger als hundert BSE-Fällen pro einer Million Rindern verliehen. Derzeit liegt diese Zahl noch bei 329, insgesamt hat es bisher fast 180.000 Rinder erwischt. Das bisher jüngste BSE-Rind wurde am 25. August 1996 geboren – also nach dem Verbot, Tiermehl an Farmtiere jeder Art zu verfüttern. Insgesamt hat der Rinderwahn die britischen Steuerzahler bisher umgerechnet 14,3 Milliarden Mark gekostet, 45 Prozent davon zahlt die EU. Hinzu kommen 1,86 Milliarden für den Verlust der Exportmärkte und bis zu 3,1 Milliarden für den Wertverlust von Rindfleisch.

Ein Umdenken in der Landwirtschaft hat dennoch nicht stattgefunden, auch nicht ansatzweise. Die britische Fleisch- und Viehkommission erklärte auf Anfrage, dass es „eine schrittweise Entwicklung in Richtung Tierfürsorge“ gebe, der Pressesprecher fügte aber hinzu, dass „die Herden in Großbritannien, anders als in Deutschland, vorrangig mit Gras ernährt werden“. Dass dieses Gras verseucht sein könnte, haben Untersuchungen von Wissenschaftlern allerdings schon vor fünf Jahren ergeben: Der Erreger wird durch Milben horizontal – also von Rind zu Rind – übertragen. Vertikal von der Kuh auf das ungeborene Kalb funktioniert das auch. So wird der Rinderwahn noch für lange Zeit ein Thema bleiben.