Krieg kommt mit dem Frühling

In der offiziell entmilitarisierten südserbischen Pufferzone an der Grenze zum Kosovo bauen albanische Untergrundkämpfer ihre Stellungen aus

aus Bujanovac ANDREJ IVANJI

Die Nacht ist verhältnismäßig ruhig. Ab und zu zerreißen dumpfe Explosionen in der Ferne die Stille, doch daran haben sich die Einwohner von Bujanovac längst gewöhnt. Am Morgen wird man erfahren, wo bewaffnete albanische Gruppen zugeschlagen haben, ob es Tote oder Verletze gibt. „Es ist zu kalt fürs Kämpfen geworden. Außerdem sollen morgen irgendwelche Nato-Bonzen kommen“, erklärt im Restaurant „Oase“ ein älterer Herr mit zerzaustem pechschwarzem Haar die geringere Intensität der Gefechte. Die Albaner wollten wieder, wie im Kosovo, die „Unterdrückten und Gepeinigten“ spielen. Dabei seien es ihre „terroristischen Banden“, die Südserbien verunsichern und serbische Soldaten und Polizisten abknallen.

Die anwesenden Geste stimmen dem Mann zu. Die „Oase“ ist ein serbisches Lokal. Hier verkehren keine Albaner. Wie ganz Südserbien ein geteilter Landstrich ist, ist Bujanovac eine geteilte Stadt. Serben und Albaner leben nebeneinander und gehen sich aus dem Weg. Zwischen ihnenstehen die von beiden Seiten verachteten „Zigeuner“.

In Bujanovac patroullieren schwer bewaffnete serbische Polizisten in Tarnuniformen. Ein Panzer mitten in der Stadt soll „beruhigend auf die serbische Bevölkerung wirken“, wie ein Polizeioffizier erklärt. Auf Albaner wirkt er jedoch äußerst beunruhigend. Ständig fahren Armeefahrzeuge und Geländewagen der Polizei – eine Stadt im Kriegsgebiet.

Die gut bewaffnete und ausgebildete albanische „Befreiungsarmee von Preševo, Medvedja und Bujanovac“ (UÇPMB) kontrolliert ein Teil des Territoriums in der Pufferzone in Südserbien entlang der Grenze zum Kosovo. In die ethnisch rein albanischen Dörfer darf kein Serbe. Vor den Ortschaften stehen Kontrollpunkte der UÇPMB. Oft sind sie kaum hundert Meter von Stützpunkten der serbischen Polizei entfernt.

Die UÇPMB kämpft für die Angliederung des „Ostkosovo“ an das Mutterland. Kein geringeres Ziel will die gut organisierte militanten Bewegung akzeptieren. Die Logistik in der Pufferzone erhält die UÇPMB aus dem Kosovo, vorbei an den amerikanischen KFOR-Soldaten, die die Grenze kontrollieren sollten. Und aus dem benachbarten Makedonien, in dem Albaner rund 30 Prozent der Bevölkerung stellen.

„Weiter kannst du nur auf die eigene Gefahr fahren“, sagt ein serbischer Polizist unmittelbar vor dem Dorf Trnovci. Dann sei man auf dem „Territorium der Terroristen“. In einem Tag könnten die serbischen Sicherheitskräfte die albanischen Extremisten wegjagen, sagt der Polizist. Doch die Politiker in Belgrad würden das nicht zulassen. „Abschießen lassen dürfen wir uns aber“, sagt er bitter lächelnd im eisigen Wind.

Das Kommando der serbischen Sicherheitskräfte geht davon aus, dass sich die UÇPMB auf einen Krieg im Frühjahr vorbereitet. Albanische Extremisten bauen Bunker und Stützpunkte aus und scheinen keinen Mangel an Munition und schweren Geschützen zu haben. Täglich schießt die UÇPMB aus Mörsern, Kanonen und Flak auf serbische Polizisten und jugoslawische Soldaten.

Die Regierung Serbiens steht unter Zeitdruck. Ihr Friedensplan sieht die Einbindung der Albaner in Südserbien in alle politische Institutionen und die lokale Polizei und eine rasche Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur der verarmten Region vor und wird von der Staatengemeinschaft unterstützt. In Serbien selbst werden Stimmen immer lauter, die eine „Abrechnung mit den Terroristen“ fordern.

„Nicht mit mir. Wir haben schon gesehen, was man mit Gewalt erreichen kann“, sagt Nebojša Čović, Serbiens Vizepremier und Chef des serbischen Verhandlungsteams für Südserbien, der den serbischen Sicherheitskräften jegliche offensive Aktionen nachdrücklich verboten hat. Čović besteht auf einer friedlichen Lösung, schließt jedoch Verhandlungen mit „Terroristen“, eine Grenzveränderung oder Autonomie Südserbiens aus. Der Friedensplan wurde am Mittwoch in Anwesenheit des US-Botschafters in Belgrad den politischen Vertretern der Albaner übergeben.

„Wir sind für einen Dialog, doch erpressen lassen wir uns nicht. Ohne Vertreter der UÇPMB haben Friedensverhandlungen gar keinen Sinn“, sagt Riza Halimi, Vorsitzender der albanischen „Partei der demokratischen Aktion“ (PDD), der sich für eine Autonomie der Albaner und Entwaffnung beider verfeindeten Parteien in Südserbien einsetzt. Er fordert mehr Zeit, damit die Albaner ein Verhandlungsteam gründen und eine eigene Plattform für Verhandlungen entwickeln können.

Zeit gibt es jedoch kaum noch. Südserbien schwebt zwischen Krieg und Frieden. Die Region befindet sich eingezwängt zwischen Nato-Truppen im Kosovo und der jugoslawischen Armee am Außenrand der Pufferzone. Mittendrin sind die rund 4.000 Kämpfer der UÇPMB und serbische Polizisten. Die KFOR steht derzeit der serbischen Seite näher, versucht jedoch sich neutral zu verhalten und vermeidet peinlich Konflikte mit der UÇPMB. Die Nato hat panische Angst vor möglichen Vergeltungsaktionen gegen eigene Soldaten im Kosovo.

Die meisten Albaner in Südserbien glauben, dass sich ihre Lage seit der demokratischen Wende in Serbien nicht verbessert hat. „Obwohl in Bujanovac Albaner rund 60 Prozent der Bevölkerung stellten, haben wir wegen des unfairen Wahlsystems nur 8 von 41 Abgeordneten im Gemeinderat“, sagt der 20-jährige Albaner Ismail. Es gebe nur eine einzige Zeitschrift in albanischer Sprache, die zwei Mal im Monat herauskommt, die Albaner hätten weder einen eigenen Fernseh- noch Radiosender. Die serbische Polizei würde sie nach wie vor schikanieren, es seien die „gleichen Polizisten“, die vorher im Kosovo ihr „Unwesen getrieben“ hätten. Seine Freunde hätten sich schon der UÇPMB angeschlossen, und auch er sei bereit für die Autonomie der Albaner in Südserbien mit der Waffe in der Hand zu kämpfen, wenn sich die Lage nicht bald verbessere.

Die Serben warten ohne große Hoffnung. Marija, eine alte Frau, meint: „Wenn die Blätter grün werden, werden wir es wissen. Das ist hier so von alters her, der Krieg kommt mit dem Frühling.“