Bloß keine Verteidiger aufstellen

■ Trotz einer gewissen Angst vor dem Ball schlägt der Hamburger SV den VfL Wolfsburg mit 3:2

Bernd Hollerbach schlägt den Ball von der eigenen Strafraum-ecke diagonal weit in die gegnerische Hälfte, wo ihn der nach vorne sprintende Mehdi Mahdavikia direkt zu Sergej Barbarez weiterköpft. Der spielt den öffnenden Steilpass zum Iraner, und der erzielt aus 12 Metern das 3:1. Drei Stationen, schnell herausgespielt, technisch brillant: Das ist schöner Fußball.

Zwei Teams stochern vor sich hin. Die Abwehrreihen überbieten sich streckenweise an Dilettantismus. Gegenspieler werden gerne ungedeckt im eigenen Strafraum stehen gelassen. Nach vorne wird der Ball eher gedroschen denn gespielt. Schwerfüßig, uninspiriert, ideenlos: So war das Spiel des Hamburger SV gegen den VfL Wolfsburg am Samstagnachmittag die meiste Zeit über.

Am schlimmsten war es aber nach dem Anschlusstreffer der Niedersachsen zum 2:3 durch Sven Müller. Da begannen den HSV-Spielern die Knie zu zittern. Anstatt die wahrhaft nicht als Übermannschaft angetretenen Wolfsburger auszukontern oder wenigstens zu versuchen, den Ball in die eigenen Reihen zu bekommen und dort zu halten, ließen sich die Rothosen im eigenen Strafraum einschnüren. Angst, Furcht und Schrecken: Das war in den letzten 20 Minuten des Matches der HSV, wie man ihn aus den vergangenen Monaten kennenlernen musste.

Auch wenn Trainer Frank Pagelsdorf sich nach Spielschluss über den allerersten Erfolg über die Volkswagenbande überhaupt freute wie ein Schneekönig – zufrieden kann er mit seiner Mannschaft noch lange nicht sein. Die ersten Ansätze von Fußball, die am Sonnabend im Volksparkstadion zu beobachten waren, werden am kommenden Wochenende wohl kaum ausreichen, um bei Schalke 04 auch nur einen Punkt zu holen. Und dann, das erkannte auch Sergej Barbarez, „geht der Ärger wieder von vorne los“.

Pagelsdorf hingegen sieht in dem Sieg vom Samstag gleich einen Meilenstein: „Es war total riesig, wie die Truppe sich hier präsentiert hat“, übertrieb er es ein wenig mit dem Lob. Fast so als habe er völlig vergessen, wie stark diese Mannschaft im vergangenen Jahr hat spielen können. Zwar hat der Coach im Angriff kein Problem. Alle drei aufgestellten Stürmer haben gegen Wolfsburg einen Treffer erzielt, und Barbarez führt nun mit 15 Toren zusammen mit Ebbe Sand die Liste der erfolgreichsten Toremurmler an.

Doch wie sich die neu formierte Abwehr um Kapitän Nico Hoogma präsentierte, war teilweise erschreckend. Gerade wie zu den Zeiten, als noch Torhüter Jörg Butt der Kapitän war und nicht der Holländer. Sehenswert, wie der beim 0:1 durch Zoltan Sebescen vorsichtshalber gar nicht erst angriff. Darum kann man Frank Pagelsdorf eigentlich nur raten, so viele Angreifer wie möglich spielen und die Verteidiger mitstürmen zu lassen. Dann können sie hinten nichts anstellen.

Eberhard Spohd

HSV: Butt, Hoogma, Hertzsch, Ujfalusi, Töfting (75. Fischer), Kovac, Cardoso (83. Kientz), Hollerbach, Barbarez, Meijer, Mahdavikia (90. Präger)

Wolfsburg: Reitmaier, Schnoor, Hengen, Ifejiagwa, Biliskov, Sebescen, Munteanu, Weiser, Kühbauer (70. Müller), Juskowiak (16. Maric), Akpoborie (74. Rische)

Sr.: Gagelmann – Z.: 35.355

Tore: 0:1 Sebescen (10.), 1:1 Meijer (31.), 2:1 Barbarez (45.), 3:1 Mahdavikia (62.), 3:2 Müller (72.)