Fallhöhe und Tiefe

Von der Fragilität des Musik-Dialogs: Lokale Schwächen beim „Back Room“-Konzert mit David Murray im HdKdW

Vor der Kasse hat sich eine lange Schlange gebildet, die quer durchs Foyer des Hauses der Kulturen der Welt verläuft. Unmut macht sich breit, es sind schließlich nur noch wenige Minuten bis zum Konzertbeginn. Auch im Saal werden die Musiker unruhig, denn der Raum ist noch fast leer. Während die Zuschauer sonst auf die Musiker warten müssen, ist es jetzt umgekehrt. Und die spät Hereinkommenden finden sich bereits im ersten Stück wieder.

Das blaurote Licht taucht die Bühne in theatralischen Schimmer, und der klare Klang aus den Lautsprechern scheint von überall zu kommen. David Murray hält das glänzende Gold seines Saxofons nah am Körper. Er ist in Hochform wie schon lange nicht mehr bei seinen Auftritten in Berlin. Sicher liegt das auch daran, dass dem Konzert ein drei Tage währender, jeweils siebenstündiger Workshop-Marathon vorausgegangen war, der die Musiker aufeinander eingrooven sollte – das ist seit drei Jahren das Konzept des „Back Room“, das als Idee des Jazzgitarristen Jean-Paul Bourelly vor drei Jahren in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kulturen der Welt entstand, um unterschiedliche traditionelle Musikkulturen in westlichem Jazz einzubeziehen und außerdem Berliner Musikern die Gelegenheit zu geben, zusammen mit auswärtigen „Stars“ vor großem Publikum aufzutreten.

Ein ambitioniertes Projekt, das sich nicht immer einlöst – und manchmal auch zeigt, warum es einen Unterschied zwischen lokalen und international bekannten Musikern gibt. Der in Berlin gestrandete südafrikanische Gitarrist Vusi Thusi war sichtlich nervös: Sein erstes Solo brach er vorzeitig ab, per Kopfnicken in Richtung Band. Und „Tikiman“, der dominikanische Sänger aus Berlin, erntete mit seinem Rastafarigesang und UB-40-Verschnitt von „Ich bin der Tikiman, der Raggaman“ eher betretenes Schweigen im Saal. Doch solche Schwachstellen wurden von den immer wieder rechtzeitig einsetzenden Bassklarinetten- und Saxofonläufen Murrays gut gemeint aufgefangen. Zu den Stärken des Abends gehörte auch der Gesang von Guy Konket, der in Guadeloupe zu den wichtigen und spirituellen Sängern gehört, dessen Beitrag aber gelegentlich in peinliche Publikumsanimation ausartete. Dabei hatte sein erster Einsatz von in einer Art Kanon ablaufenden Lautgeräuschen, die in den Stimmen der genialen Trommler Klod Kiavue und Philippe Makaia ihre Ergänzung fanden, zunächst für eine hypnotische Tiefe gesorgt, über der sich die „Murray-Momente“ wie Gesänge erhoben. Der ehemalige Ornette-Coleman-Bassist Jamaladeen Tacuma, dessen Name ebenfalls Besucher gelockt hatte, steuerte das erdige Funkelement bei, hielt sich aber ansonsten weit im Hintergrund.

Der abschließende Applaus des Publikums fiel denn auch eher dankend zufrieden aus als hungrig nach mehr; zur Zugabe strebte man schon zur Afterlounge ins Café Global, wo sich einige Frauen bereits mit verträumten Augen zu den Afro-Discoklängen eines Dreadlock-DJs wiegten. MAXI SICKERT