berliner szenen
: Letzter Abend im „loop“

Auslaufrille

Die Schlegelstraße 26/27 ist keine schlechte Immobilie. Das Vorderhaus wurde sauberst renoviert, ein bisschen Gründerzeit, aber mit Komfort. Die Leute, die sich die Mieten dort leisten können, haben es geschafft. Jetzt ist der Hinterhof dran: Vier Stockwerke in einer ehemaligen Fabrik, zentrale Lage, fünf Minuten bis zur Friedrichstraße, ideal für Start-ups, Werbeagenturen oder Finanzberater.

Als Rüdiger Lange und Holle Rauser das Gebäude 1997 zur Zwischennutzung bekamen, war es eine muffige DDR-Location unter vielen, Holzimitat und Plastegeruch im damaligen Niemandsland nördlich der Torstraße. Dass sich „parabolica spaces“, „rampe“, „loop“-Galerie und „convex.tv“ durchsetzen konnten, lag an der Mischung: ein bisschen Elektronica, ein bisschen Kifferlounge, hier und da Performances, eher Ambient als meterweise neue Malerei.

Gescheitert ist das Konzept nach dreieinhalb Jahren nicht. Wenn Lange zu vernünftigen Konditionen neue Räume findet, wird er weitermachen. Immerhin haben sich einige seiner Künstler etabliert: Achim Kobes Tapeten oder Karsten Konrads architektonische Einbauten sind mittlerweile von Leipzig bis London ausgestellt worden. Lange hat nichts gegen kommerziellen Erfolg, wenn nur der künstlerische Eigensinn erkennbar bleibt. Bisher ist ihm mit seinem Programm die Gratwanderung zwischen Experimentierbühne und Talentschuppen jedenfalls ganz gut geglückt.

Auch der vorläufig letzte Event am Freitag war angenehm unaufgeregt und gezielt durcheinander. Während Ulrike Feser im einen Raum Dias zur Gentrifizierung auf Hawaii zeigte, hielten nebenan Oliver Elser und Oliver Croy einen Vortrag über die neuesten Ergebnisse der „Fritz-Forschung“. Zwei Jahre haben sich die beiden Architekturspezies mit den 387 Modellhäusern beschäftigt, die der ehemalige Wiener Beamte Peter Fritz in seiner Freizeit gebastelt hat. Jetzt liegt im Hatje/Cantz-Verlag der Nachlass klassifiziert und kommentiert als Buch vor. Ganz folgen konnte man den Verstrickungen des Häuslebauers mit der Kunstwelt aber nicht, dauernd schwappte die Sauriermusik von Steven Spielbergs „Jurassic Park“ herüber, die bei Feser zu den Fotos brummelte. Außerdem waren „future7/invest“ im Durchgangsbereich redlich damit beschäftigt, ihre Gemälde zu erklären, die ohne Umweg über eine Galerie auf Anfrage produziert werden – eine hübsche Parodie auf die Dienstleistung.

Für das Publikum sind solche Abende allemal amüsant. Schließlich entspricht die Gemengelage den eigenen Lebensentwürfen: Irgendwie hält man die Dinge im Fluss; irgendwie gehört man zu den vielen Leuten, die ständig auf der Suche sind nach neuen Projekten; und irgendwie mag man das Wort „Karriere“ nicht hören. Lieber schon HipHop, so wie im „Testbed“-Raum, wo nach der Veranstaltung an der Bar über die Künstlerliste der nächsten Berlin Biennale beratschlagt wurde. Später im Half-Loop dann ein letztes Mal die üblichen Kratzspuren als Club-Klangschleife. Oder wie ein Gast beim Rausgehen meinte: „Was soll’s. Sind auch bloß ein paar Geräusche mehr.“ HARALD FRICKE