Schneiden, bremsen, rammen

Auto fahren in Arabien. Wenn der Jordanier und die Jordaneuse ins Rollen geraten

Seit den Achtzigerjahren ist das Fahren von motorisierten Zweirädern beinah absolut verboten

Wer in Jordanien Auto fährt, der kann was erleben. Jordanier und Jordaneuse sind nämlich gleichberechtigt schlechte Fahrer. Es geht nicht allein darum, dass sie andere einfach nur schneiden, ausbremsen, rammen oder zuparken. Derartige Fehlleistungen sind ja auch in anderen Ländern verbreitet. Nein, in Jordanien haben die Autofahrer noch andere Qualitäten: Im allerschönsten Verkehr, den man sich auf einer dreispurigen Straße auch nur wünschen kann, halten sie völlig grundlos an – wohlgemerkt: nicht auf dem Seitenstreifen, sondern am liebsten auf der mittleren Spur. In einer Tiefgarage brauchen Jordanier mindestens vier Stellplätze, selbst wenn sie nur einen Mini fahren. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Jordanier mit dem Fahrtrichtungswechselanzeiger signalisieren, links abbiegen zu wollen. Dann fahren sie nach rechts – und zwar mit Sicherheit. Kein Wunder also, dass „Blinker“ auf Arabisch „rämmäs“ heißt. So wie der deutsche „Zucker“ im arabischen „sucar“ wurzelt, wird das Wort „rämmäs“ von Etymologen nämlich auf den deutschen Begriff „Rammsau“ zurückgeführt.

Nun ist es nicht so, dass man in Jordanien ohne Führerschein fahren dürfte. Und um diesem Vorurteil gleich entgegenzuwirken: Zu kaufen ist eine Fahrerlaubnis auch nicht. Jeder Jordanier muss 40 Stunden Fahrunterricht und anschließend eine relativ strenge Prüfung absolvieren, bevor er frühestens mit 18 Jahren einen Führerschein erhält. Und trotzdem: Es hilft alles nichts, die Jordanier sind hoffnungslose Fälle. Bleibt die Frage, warum das so ist? Psychologen von der Matbah-Fakultät in der Hauptstadt Amman meinen, dass dieser Defekt sehr simple Ursachen hat: Er sei darauf zurückzuführen, dass die Jordanier ursprünglich ein Wüstenvolk waren. Die Weiten der Sahara seien eingebrannt in das kollektive Unterbewusstsein des Volkes, so dass die Jordanier zu wissen glauben, dass sie immer genügend Platz für Bewegungsmanöver jeder Art haben. Deshalb parken sie auch ohne schlechtes Gewissen in der dritten und vierten Reihe. Und darum auch müssen jordanische Autofahrer selbst auf einem leeren Parkdeck mit dem Umfang eines Fußballplatzes in zwanzig Zügen wenden. Zudem sei es ja erwiesen, dass Kamele einfach größere Wendekreise haben als zum Beispiel Enten oder Käfer. Und wörtlich behaupten die Psychologen: „Fahren Sie mal in die Vereinigten Arabischen Emirate – und gucken Sie, wie die Leute dort fahren! Dann wissen Sie, warum sich genau da der Wendekreis des Krebses befindet!“

Die zuständigen Behörden haben offenbar schon vor Jahren erkannt, dass ihr Land ein grundsätzliches Problem hat. Seit den Achtzigerjahren ist das Fahren von motorisierten Zweirädern in Jordanien beinah absolut verboten. Offiziell wird das Verbot vom „Ministerium für Transportwesen“ zwar damit begründet, dass es in Form eines Gesetzes eben so verhängt wurde. Viele Menschen glauben allerdings, dass das Verbot ausgesprochen wurde, weil es für alle Verkehrsteilnehmer einfach besser so war. Einzig Unternehmen wird es in Ausnahmefällen gestattet, einen Motorradboten zu beschäftigen. Und das ist wahrlich kein makaberer Witz, sondern so ernsthaft gemeint, wie das deutsche Adjektiv „makaber“ tatsächlich abstammt vom arabischen „Grab“.

Die kleine Gruppe Ausländer in Jordanien hofft darauf, dass der weise jordanische König eines Tages das Verbot von zwei- auf vierrädrige Fahrzeuge ausdehnen wird – und zumindest all seinen Untertanen auch das Autofahren verbietet. Der Gebrauch von Fahrrädern, Kickboards, Kettcars, Rollschuhen und Ähnlichem ist übrigens nicht verboten – warum auch immer. BJÖRN BLASCHKE