Powell drängt Israel

Bei seiner Nahost-Tour fordert der US-Außenminister die Israelis zur Aufhebung der Sanktionen auf. Protestdemonstrationen im Gazastreifen

JERUSALEM taz ■ Nach Beratungen mit dem israelischen Stabschef Schaul Mofas kam US-Außenminister Colin Powell am Sonntag zu dem Schluss, die Lage sei „gefährlich“. „Es ist für beide Seiten an der Zeit, die Leidenschaften zu kontrollieren“, sagte Powell auf einer Pressekonferenz, die er gemeinsam mit Israels künftigem Premierminister Ariel Scharon in Jerusalem abhielt. Powell versprach, dass auch die Regierung von George W. Bush eine Schlüsselrolle bei allen künftigen Verhandlungen einnehmen werde. Der US-Außenminister drängte die Israelis, die Sanktionen gegen die Palästinenser aufzuheben, und setzte sich dafür ein, die Friedensgespräche auf Basis der UNO-Resolutionen 242 und 338 weiterzuführen, die einen Rückzug der Israelis auf die Grenzen von 1967 vorsehen.

„Um die Situation zu erleichtern, muss Jassir Arafat einige Schritte unternehmen“, entgegnete Scharon. Erst wenn der Palästinenserpräsident Maßnahmen zur Beruhigung der Gewalt einleite, sei er bereit, sich mit diesem zu treffen. Dazu gehöre eine öffentliche Verurteilung der Gewalt sowie konkrete Schritte gegen Hetze und Terror. Beide Seiten müssten zudem im Bereich der Sicherheit wieder zusammenarbeiten. Danach erst wolle er mit einer schrittweisen Öffnung der Grenzen wirtschaftliche Erleichterungen einleiten. Powell unterstützte den Appell seines Amtskollegen, die Sicherheitskooperation wiederaufzunehmen.

Überschattet von heftigen Anti-USA-Demonstrationen war das Treffen zwischen Powell und Jassir Arafat in Ramallah. Aus Protest über die jüngsten Bombardierungen Bagdads verbrannten maskierte und bewaffnete Palästinenser in Gaza Fotos des amerikanischen Außenministers. Kabinettssekretär Ahmad Abd er-Rachman verurteilte die „Doppelzüngigkeit“ der Amerikaner, die den Irak durch die Sanktionen zur Einhaltung der UN-Resolutionen zwinge, jedoch nichts gegen Israel unternehme.

Arafat empfing seinen Staatsgast hingegen mit großer Herzlichkeit. Er appellierte an ihn, den Frieden voranzutreiben und auf ein Ende der israelischen Sanktionen hin zu wirken. Das palästinensische Volk habe sich für die „strategische Option“ des Friedensprozesses entschieden und hoffe auf eine baldige Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen. Keine Regierung könne sich den Verpflichtungen ihrer Vorgänger entledigen, meinte Arafat mit Blick auf die von ihm gewünschte Fortsetzung der Verhandlungen, „dort, wo wir sie unterbrochen haben“. Der Palästinenserpräsident erinnerte ferner an die Rolle der Regierung von Bush senior, der die israelische Siedlungspolitik mittels der Androhung finanzieller Sanktionen zu beenden versucht hatte.

Powell zeigte deutliches Mitgefühl für die wirtschaftliche Not der Palästinenser und die Opfer der Gewalt. „Die 400 Toten sind eine schreckliche Tragödie“, sagte er. Er betrachte es als seine Aufgabe, zu einer Linderung der Not beizutragen. Unabhängig von der amerikanischen Rolle seien in erster Linie die beiden Seiten aufgerufen, direkt miteinander zu verhandeln und „schwere Entscheidungen zu treffen“. SUSANNE KNAUL