Herr über Leben und Tod

Der Exchef der serbischen Staatssicherheit, Radomir Marković, wurde am Wochenende verhaftet

Er konnte über Leben und Tod bestimmen und sich über Gesetz und Verfassung hinwegsetzen. Dabei muss er sich allmächtig gefühlt haben. So unantastbar, dass er selbst nach dem Umsturz in Serbien am 5. Oktober 2000 arrogant und selbstsicher wirkte.

Am Samstag wurde Radomir Marković plötzlich verhaftet. Nun sitzt der ehemalige Chef des serbischen Staatssicherheitsdienstes in Untersuchungshaft. Er ist wegen des Anschlags auf Vuk Drašković, den Vorsitzenden der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO), vom Oktober 1999 angeklagt, bei dem vier SPO-Funktionäre getötet wurden. Wegen vorsätzlichen Mordes drohen Marković mindestens zehn Jahre Haft, im schlimmsten Fall die Todesstrafe.

Geboren wurde der heute 54-Jährige in Lukavica, einem bosnischen Dorf bei Tuzla, in einer serbischen Familie. Beide Eltern hatten am Partisanenkrieg gegen die deutschen Besatzer teilgenommen. Marković ist verheiratet und hat einen Sohn.

Nachdem er 1970 in Belgrad sein Jura-Studium abgeschlossen hatte, trat er sofort als Inspekteur der Belgrader Polizei bei. Marković schien für den Job eines Polizisten bestimmt zu sein, er genoss sichtlich die Macht seines Amtes. Zuerst arbeitete er an der Aufklärung von Eigentumsdelikten, dann im Drogendezernat, bis er endlich Chef des Sicherheitsdienstes auf dem Belgrader Flughafen wurde.

Auf diesem Posten wurde er jedoch kompromittiert, angeblich war er zu empfänglich für Bestechungsgelder. Trotzdem wurde er unter Slobodan Milošević Chef der Belgrader Kriminalpolizei. Er prahlte, „gute Beziehungen zu Vertretern der Unterwelt zu pflegen“. Tatsächlich blieben unter seinem Kommando unzählige Morde und Verbrechen in Belgrad unaufgeklärt.

1993 war Marković Chef des Polizeistabs, der Proteste der Opposition gegen das Regime bekämpfen sollte. Er ließ nicht nur Drašković und seine Frau Danica krankenhausreif prügeln und verhaften, sondern ohrfeigte die Frau höchstpersönlich. Halb Europa schrie auf und vermittelte die Freilassung des Ehepaars.

Im November 1998 entließ Milošević seinen damaligen Geheimdienstchef, Jovica Stanisić, weil dieser die Ansicht vertreten hatte, ein Krieg gegen die Nato sei selbstmörderisch. Marković wurde Geheimdienstchef, was in den Reihen des Dienstes Empörung auslöste. Man hielt ihn für inkompetent.

Tatsächlich war es die katastrophale Fehleinschätzung des Geheimdienstes unter Marković, die zum unerwartet raschen und kampflosen Zusammensturz der zehnjährigen Machtherrschaft von Milošević führten. ANDREJ IVANJI