jürgen schrempp

Der Schlangenkönig

Schönfärberei war seine Sache nie. Falsche Bescheidenheit auch nicht. Das bewies Jürgen Schrempp gestern wieder: „Die Situation in den USA hat sich dramatisch verschlechtert. Dazu kommen hausgemachte Probleme, die wir nun lösen müssen. Da gibt es nichts zu beschönigen.“ Und wenn das nicht gelingt? „Die Frage muss ich als hypothetisch bezeichnen.“

Der Mann gilt als robust und unsensibel. Als er vor vier Jahren AEG und Fokker platt machte und tausende Arbeiter auf die Straße setzte, kommentierte er dies wie folgt: „Ich müsste jetzt eigentlich sagen, dass ich hin und wieder nicht gut schlafe. Ich schlafe leider gut.“ Profitgierig, machtbewusst, arrogant – so ließe sich Schrempp treffend beschreiben.

Eine neue Höflichkeit zeigte er vor der Fusion mit Chrysler. „Sie schreiben heute Geschichte“, flötete er auf der außerordentlichen Hauptversammlung 1998 den Daimler-Aktionären ins Ohr und versprach „Profit, Profit, Profit“. Die Fusion kam durch.

Doch Chrysler entpuppte sich schnell als Sorgenkind der neuen „Welt AG“. Kursgewinne blieben aus, statt Profit machte der Partner Verlust. Chrysler-Chef James Holden wurde gefeuert, der Deutsche Dieter Zetsche zum Nachfolger bestellt. Als Schrempp in einem Interview verklausuliert sagte, entgegen der öffentlich propagierten „Ehe unter Gleichen“ habe er auf eine Vorrangstellung der Deutschen im Konzern hingearbeitet, nutzte Großaktionär Kirk Kerkorian dies für eine Klage. Die Anleger seien getäuscht worden, die Fusion sei rückgängig zu machen.

Das Urteil steht ebenso aus wie der Beweis, dass Schrempp in der Lage ist, die marode Chrysler-Tochter wieder profitabel zu machen. Die unteren Sprossen von Schrempps Karriereleiter zieren vor allem Verluste. Auf seinem ersten wichtigen Posten als Leiter der Mercedes-Benz-Tochter in Südafrika lieferte er 1986 die zweitschlechteste Bilanz aller Beteiligungsgesellschaften. Trotzdem hat er sich durchgesetzt.

Ein Vertrauter nannte die Konzernzentrale einmal eine Schlangengrube. Schrempp darauf nur: „Ich bin der König der Schlangen.“ RALF GEISSLER