künast und die bullen
: Testfall für die Agrarwende

Jetzt wird’s ernst. Bullenmäster sollen künftig nur noch bis zur Obergrenze von 90 Tieren Subventionen kassieren. So will es der brummbärige EU-Kommissar Fischler. Sein Vorschlag kratzt empfindlich an der Struktur der Großbetriebe. Ein Angriff auf die alte Landwirtschaft. In Ostdeutschland werden bis zu 12.000 Bullen in riesigen Anlagen gehalten. Genau solche Agrarfabriken, so versprach der Kanzler, sollen verschwinden. Jetzt wird der Streit um die 90-Bullen-Grenze zum Testfall für seine Glaubwürdigkeit.

Kommentarvon MANFRED KRIENER

Unterstützt Ministerin Künast den Fischler-Vorstoß, variiert sie ihn oder rudert sie, wie zu befürchten steht, zurück in die Arme der Agroindustrie? Wie notwendig Fischlers Initiative ist, zeigt der Blick in den Kuhstall. Die Euro-Grünen haben einen Betrieb mit 11.000 Bullen durchgerechnet. Nach bestehenden Richtlinien kassiert er im Jahr 5,2 Millionen Mark Prämien – mehr als doppelt so viel wie alle Rostocker Theater. Und wofür? Dafür, dass er die Bullen hochintensiv auf tierquälenden Vollspaltenböden hält? Dafür, dass er sie in einem hochtechnisierten und -rationalisierten Stall von 30 Arbeitskräften betreuen lässt. Macht 170.000 Mark Zuschuss pro Arbeitsplatz. Eine irrsinnige Fehlsteuerung.

Trotzdem will Künast diese Betriebe offenbar retten. Ihr Staatssekretär Berninger behauptet frech, die Größe eines Betriebes sei ökologisch nicht relevant. Der simple Blick in jede industrielle Rindermast widerlegt ihn. Bei 11.000 Bullen bleibt dem Personal keine Zeit für das einzelne Tier. Die Betreuung ist komplett technisiert, das Tier verdinglicht. Die Seuchenanfälligkeit wächst. Zudem kann der Fleischberg aus dem Riesenstall nicht regional vermarktet werden, wie es sinnvoll wäre. Er wird durch die Republik gekarrt, lebend oder als Rinderhälfte.

Es geht bei der Agrarwende nicht um ein wenig grüne Tünche für die Auswüchse der Massentierhaltung, sondern um deren Abschaffung. Obergrenzen bei der Tierzahl sind unverzichtbar. Eine diskutable Alternative zum Fischler-Vorschlag hat die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ eingebracht: die Ankoppelung der Prämien an die Arbeitsplätze. Die AbL will die Obergrenze bei 50 Bullen pro Arbeitsplatz ziehen. Für obigen Riesenstall hieße das: Er bekommt bei 30 Arbeitsplätzen 50 mal 30 Tiere gefördert, das sind nur noch 1.500 Bullen und nicht mehr die 11.000. Will er mehr Prämien, muss er Leute einstellen.

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