Belugas auf dem Kreuzzug

Flipper lacht hier nicht mehr: Der Oberhausener Künstler Jörg Mazur hat für seine Installation „Delphinidae Delphinoidae“ in Luckenwalde eine Parade der Meeressäuger gegen die Tierjagd auf hoher See aufgebaut

Luckenwalde?, fragten mit leicht besorgten Unterton Freunde, was willst du in einer Stadt, die eigentlich nur wegen rechter Schläger bekannt ist? Kunst gucken: Die Aufsicht erzählt, dass in diese Ausstellung viel mehr Besucher als sonst kommen, weil es keine abstrakte Malerei oder schwierige Installationskunst gibt, sondern Delfine.

Tatsächlich lässt der Oberhausener Jörg Mazur in seiner fünfzehn mal drei Meter großen Installation alle 45 Arten der in den Meeren und Flüssen der Welt (noch) existierenden Delfine und delfinartigen Wale naturgetreu im Maßstab 1:2 als riesigen Schwarm durch die Ausstellungshalle schwimmen. Die Skulpturen aus Styrodur, mit Glasgewebe und Harz überzogen, schimmern grüngelb. Jörg Mazur, der in Essen Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Bildhauerei und Grafik studierte, möchte mit seiner Arbeit auf die Bedrohung vieler Delfinarten aufmerksam machen. Deshalb treten seine Tiere zu einem Kreuzzug in eigener Sache an. Von der Seite aus betrachtet, tummeln sie sich in typischen Auf- und Abbewegungen wild durcheinander. Doch an der Stirnseite des Schwarmes stehend, wird die Intention deutlich: Der Kreuzzug gegen die Umwelt verschmutzende Menschheit wird von zwei Tieren angeführt, die dafür optimale Körpereigenschaften besitzen.

Ein männlicher Narwal trägt einen über einen Meter langen Stoßzahn bedrohlich vor sich her. Neben ihm schwimmt ein Weißwal, auch Beluga genannt, der über bewegliche Halswirbel und – wieder einzig bei Walen – über eine Gesichtsmimik verfügt. Bei Jörg Mazur hat der Beluga den Kopf in den Nacken gehoben und das Maul wie zu einem Schrei weit geöffnet – keine Spur von Flipper oder stets „lachenden“ Delfinen, von Delfinen, die Purzelbäume schlagen müssen. Die Tiere kehren ins Reich der Natur zurück.

Dazu gehört das friedliche Miteinander von großen und kleinen Arten. Der Blauwal etwa wird über 30 Meter lang, der in Flüssen lebende Commerson-Delfin gerade mal 1,40 Meter lang. Und Tiere töten nicht wegen Profit oder aus Unachtsamkeit. „Keine zweite Tierart hat gleichzeitig so viel Brutalität und Verehrung erfahren“, so Mazur.

Drei Jahre arbeitete er an seiner Installation, studierte zuvor ausgiebig das Leben der Tiere in Delfinarien und von einer norwegischen Walforschungsstation im nördlichen Polarmeer aus.

Die Installation „Delphinidae Delphinoidae“ des 32-Jährigen war schon in Oberhausen, Stuttgart, München, Bonn, Essen und Frankfurt zu sehen. Und nun in Luckenwalde, der Kreisstadt mit rechtsradikalem Image. Da gehört sie auch hin. Der Besucherandrang, größer als üblich, hat vielleicht mit einer hiesigen spezifischen Deutung des Kunstwerkes zu tun: „Solidarität, soziales Verhalten, friedliches Nebeneinander, sind die etwa klüger und weiter entwickelt als wir?“, fragt ein Victor im Gästebuch. „Wie würden die uns in so einer Ausstellung betrachten? Wohlwollend oder mitleidig?“

ANDREAS HERGETH

Bis 18. 3., Mi. – Fr. 16 – 21; Sa./So. 13 – 18 Uhr, Kunsthalle Vierseithof in Luckenwalde, Am Herrenhaus 2