Mit Kleidungsverboten gegen rechts

An Ostberliner Schulen verbieten Rektoren das Tragen von Springerstiefeln und Bomberjacken. Damit wollen sie ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. Schulpolitiker von CDU bis Bündnisgrünen lehnen die Verbote ab

Die Lehrer haben wenigerBerührungsängste, wenn die Jugendlichen in normaler Kleidung zur Schule kommen

Springerstiefel und Bomberjacken auf Schulhöfen – für viele Schulleiter sind diese Kleidungsstücke mittlerweile ein rotes Tuch. Um gegen rechtsextremistische Tendenzen vorzugehen, haben jetzt die Rektoren einiger Berliner Oberschulen das Tragen dieser Kleidungsstücke untersagt.

„Wir haben Springerstiefel verboten“, sagt Schulleiter Manfred Halbrehder von der Hans-Grade-Realschule in Treptow. In dem Ostberliner Bezirk habe sich eine rechte Szene etabliert, die auch in die Schulen hineinschwappe. Rechtsextreme Kameradschaften würden versuchen, junge Menschen, insbesondere Schüler, anzuwerben. Zwar treten sie in den Schulen nicht öffentlich auf, hat Halbrehder beobachtet, auch werden auf dem Schulhof keine Flugblätter verteilt oder für Organisationen geworben. Doch zeigten die Jugendlichen in der Schule ihr rechtsextremistisches Gedankengut immer häufiger durch ein bestimmtes Aussehen: durch T-Shirts mit der Aufschrift „white power“ oder „skinhead – stolz und treu“, durch Keltenkreuze mit dem Schriftzug „white pride“, Bomberjacken oder Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, die Gewaltbereitschaft signalisieren sollen.

Halbrehder geht davon aus, dass an seiner Schule fünf bis zehn Prozent der 440 Schüler „eindeutig“ gekleidet seien. Wie viele von ihnen rechtsextrem organisiert oder Mitläufer seien oder nur die Mode gut fänden, kann er nur vage schätzen: „Ich glaube, die meisten plappern nur mit.“

Die Schulkonferenz, in der Lehrer, Schüler und Eltern sitzen, hat deshalb Springerstiefel „als äußeres Zeichen der Gesinnung“ und aus „Sicherheitsgründen“ – viele haben Stahlkappen – durch einen Zusatz in der Schulordnung verboten. Außerdem sei mit der Schülervertretung darüber diskutiert worden: „Die Jugendlichen haben das Verbot mit einer großen Mehrheit angenommen“, sagt Halbrehder. Der Rektor hätte am liebsten auch die T-Shirts verbieten lassen, „doch da hätten wir möglichweise Klagen wegen der Einschränkung von Persönlichkeitsrechten bekommen“.

Tatsächlich kann jede Schule in ihrer Hausordnung gewisse Kleidungsstücke verbieten, wenn dadurch der Schulfrieden gefährdet ist, sagt Moritz Felgner, Sprecher der Berliner Schulverwaltung. Jede Schule müsse im Einzelfall entscheiden, mit welchen Maßnahmen Konflikte gelöst werden können.

Auch an der Robert-Havemann-Gesamtschule in Pankow ist das „Tragen von Uniformen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken verboten“. Oberstufenleiter Dieter Woltmann rechtfertigt das Verbot damit, dass man Schülern und Lehrern dadurch Ängste genommen hat. „Auch ich habe einen Schreck bekommen, wenn ich diese martialischen Monturen gesehen habe“, sagt er. Das Verbot sei ein eindeutiges Signal gegen rechts. Das Klima an der Schule habe sich wesentlich verbessert. Vorher aber habe es eine Debatte unter den rechts gesinnten Schüler gegeben. Diese hätten sich darüber beschwert, dass sie intolerant behandelt worden seien.

Doch sowohl Woltmann als auch seinem Kollegen an der Treptower Schule ist klar, dass durch ein Kleidungsverbot nicht alle Probleme gelöst werden. „Es führt aber dazu, dass das Thema von allen ernster genommen wird“, sagt Woltmann. Wichtig sei es, so Halbrehder, Diskussionen mit den Schülern zu führen und sie über das Thema Rechtsextremismus aufzuklären. So seien Projekttage geplant, und auch im Unterricht werde darüber regelmäßig gesprochen. Die Lehrer aber hätten weniger Berührungsängste, wenn die Jugendlichen in normaler Kleidung kämen, hat Woltmann beobachtet.

Die Berliner Schulpolitiker lehnen ein Kleiderverbot ab. „Nicht jeder, der Springerstiefel trägt, ist rechtsradikal. Wir müssen die Köpfe der Jugendlichen erreichen“, sagt der Bündnisgrüne Özcan Mutlu. Verbote führten nur zu Trotzreaktionen. Auch der schulpolitische Sprecher der CDU, Stefan Schlede, befürwortet ein Verbot nur im Einzelfall.

„Mit einem Kleidungsverbot kann man keinen Gesinnungswandel vollführen.“ Ein gutes pädagogisches Klima führe zu besseren Resultaten.

JULIA NAUMANN