Deflationäre Entwicklungen auf dem Heimtiermarkt

„Mäuse 3 Mark“

Häufig wundert man sich, wie billig Tiere sind. In Berliner Zoogeschäften kostet ein Guppi-Fisch zum Beispiel nur fünfzig Pfennig. Goldhamster sind schon für sechs Mark zu haben. Und Futtertiere sind fast umsonst. Für eine Schachtel mit einer Million Würmer zahlt man im Zoofachhandel dieser Tage lediglich eine Mark.

Wenigstens hat der nächst gelegene Zoohändler die Preise für seine Nagetiere hochgesetzt. Hing im letzten Jahr noch der Hilfeschrei „Mäuse 3 Mark“ als Schild im Fenster, werden die Rennmäuse inzwischen immerhin für stolze acht Mark verkauft, normale Mäuse kosten jetzt fünf Mark. Der Wert eines lebendigen Tierchens entspricht damit trotzdem im besten Falle nur mehreren Mehltüten oder einer Flasche Asti Cinzano.

Das sind sie, die traurigen Seiten der Marktwirtschaft. Jeder, der anfangen würde, in Berliner Heimtiergeschäften Hasen und Meerschweinchen endlich zu vernünftigen Preisen zu verkaufen, würde nicht nur von der Konkurrenz aus Osteuropa gnadenlos in den Konkurs getrieben.

Im krassen Gegensatz zu den lächerlichen Anschaffungskosten stehen freilich die hohen Summen, die man für den Unterhalt eines Haustieres bezahlen muss. Eine Berliner Boulevardzeitung hat errechnet, dass eine Landschildkröte in ihrem 150 Jahre dauernden Leben Futter im Wert von insgesamt 162.410 Mark frisst. Kostengünstig sei allein ihr Winterschlaf. Viele Berliner kaufen sich seit Erscheinen dieser Meldung lieber Eigentumswohnungen.

Wer sich trotzdem für ein Haustier entscheidet, muss jedoch nicht nur ein Futterkonto eröffnen. Auch die Tierarztkosten schlucken viel. Ein Bekannter erzählte neulich, die „Reparatur seines Hundes“ hätte erneut 120 Mark gekostet. Insgesamt haben sich allein im Laufe des einjährigen Hundelebens bereits über 1.000 Mark reine Arztkosten angesammelt. Der Bekannte hat inzwischen eine anspruchslose Dienstleistungstätigkeit angenommen, um sich aus der Schuldenfalle herauszuwirtschaften. Aus dem daraus resultierenden Mangel an Zeit führt jetzt der Nachbar den teuren Hund spazieren.

Auch eine Freundin hat gerade 80 Mark bei einem Tierarzt für eine Vitaminspritze für ihren Hamster investiert. Der sieben Monate alte Hamster hatte bei der Karstadt-Filiale nur sechs Mark gekostet. Dieses Preisgefälle macht die Entscheidung für das Wohlbefinden des in die Monate gekommenen Tieres und gegen den Kauf von Ersatztieren nicht leicht. Zumal die Lebenszeit von Hamstern nur maximal ein Jahr beträgt. Um kaltschnäuzige Rückgabetransaktionen zu verhindern, hängt bei Berliner Zoohandlungen inzwischen immerhin stets bereits im Schaufenster die Regel aus: „Alle Tiere sind vom Umtausch ausgeschlossen“.

Ist das Haustier schon tot, fallen weitere Kosten an. Wer einen Platz auf dem Berliner Tierfriedhof haben will, muss zunächst Mitglied im Tierschutzverein werden. Die Kosten für die Beerdigung einschließlich zweijähriger Pacht sind hoch. Für kleine Katzen, Vögel und Kleintiere wie Hamster und Meerschweinchen sind 400 Mark zu entrichten, für kleine Hunde und große Katzen 590 Mark, für große Hunde immerhin 875 Mark. Beerdigungstag ist mittwochs.

Die Tiere werden – eingehüllt in eine Decke – in die kleinen Gruben gelegt. Religiöse Zeremonien oder das Aufstellen von Kreuzen sind nicht erwünscht, sagt die Mitarbeiterin des Areals, Carola Ruff. Ihr Tierfriedhof gehört zum größten Tierheim Europas, das übrigens gerade für 52 Millionen Mark im Ostberliner Bezirk Hohenschönhausen gebaut wird.

Doch nicht jeder geht gleich auf den Friedhof. Die Zeiten sind nicht mehr so. Immer mehr Bauern vergraben ihre BSE-verdächtigen Kühe heimlich draußen auf dem Feld, hieß es kürzlich im Radio. Damit wollen sie nicht nur Kosten sparen, sondern auch die Keulung der gesamten Herde umgehen. Man sollte aufmerksam werden, wenn beim Bauern plötzlich eine Kuh weniger im Stall steht, riet der Experte. Tierfreunden bricht man mit solchen Nachrichten das Herz.

KIRSTEN KÜPPERS