Nationalist und Ideologe

Das Tribunal in Den Haag verurteilt den bosnischen Kroaten Dario Kordić zu 25 Jahren Haft

von ERICH RATHFELDER

In Uniform, die Pistole im Gurt, die Kalaschnikow auf dem Schoß, umgeben von vier schwer bewaffneten Männern seiner Leibgarde, so ließ sich Dario Kordić im Februar 1993 in der zentralbosnischen Stadt Busovaca interviewen. Noch waren die Verbrechen nicht begangen, für die der ehemalige Soziologe aus Sarajevo am Montag in Den Haag zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde. Doch er sagte schon damals offen, was er plante: die Region Zentralbosniens, von Travnik bis nach Kiseljak bei Sarajevo, ein etwa 90 km langer und 30 km breiter Streifen mit gemischter Bevölkerung, sei von der „Welt“ den Kroaten zugesprochen worden. Die fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachende muslimische Volksgruppe und die serbische Minderheit der Region müsse sich den Kroaten unterwerfen oder vertrieben werden.

Der damals 33-jährige Kordić war ein Warlord, ein politischer Führer, der auch die militärischen Dinge in die Hand nahm. Als Vizevorsitzender der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) in Bosnien und Herzegowina, dem bosnischen Ableger der damals in Kroatien herrschenden Tudjman-Partei, gehörte er seit Beginn des Krieges im ehemaligen Jugoslawien zu den nationalistischen Ideologen, die im Einklang mit den serbischen Nationalisten unter Radovan Karadžić eine territoriale Teilung Bosnien und Herzegowinas und eine Trennung der Volksgruppen der Serben, Kroaten und Muslime anstrebten.

Zwei Monate später wurde der Plan umgesetzt. Kroatische Paramilitärs, die „Joker“, die von Kordić wenn nicht befehligt, so doch beeinflusst waren, griffen mit den Truppen der bosnischen Kroaten (HVO) die muslimische Bevölkerung der Region an. Am 16. April wurde das Dorf Ahmici dem Erdboden gleichgemacht, über 100 Menschen, darunter 30 Frauen und 11 Kinder, wurden in ihren Häusern eingesperrt; die Häuser wurden angezündet, Menschen verbrannten bei lebendigem Leibe. Viele Überlebende der rund 1.000 Dorfbewohner wurden in ein Lager in Vitez gebracht, es kam zu Folterungen und Vergewaltigungen.

Wegen des Verbrechens von Ahmici wurden im vergangenen Jahr schon fünf kroatische Milizionäre zu Haftstrafen bis zu 25 Jahren verurteilt. Der Kommandeur der kroatisch-bosnischen Truppen von Vitez, Tihomir Blaskić, erhielt zudem 45 Jahre Haft.

Nach der Auslieferung der Kriegsverbrecher 1997 an Den Haag sind viele Überlebende nach Ahmici zurückgekehrt. Nur die Häuser, wo ganze Familien ermordet wurden, sind weiterhin Ruinen.