Endzeitvision mit schlappem Messianismus

■ Wie sieht ein Prä-Millenniumsfilm im Jahr 2001 aus? „Matrix“ im 3001

Lustig war es schon, damals im Sommer 1999. Faltige Auguren schürten die Millenniums-Panik, während wir nägelkauend auf den großen Crash warteten. Im Kino hatten derweil Weltuntergänge Hochkonjunktur, und was die diversen Kometen übrig ließen, wurde schließlich von Matrix in Grund und Boden digitalisiert.

Mit ihrer schmucken Endzeitvision lieferten die Gebrüder Wachowski den Armageddon du jour; ein Paradebeispiel für die Kunst, mit viel Aufwand einfache Antworten zu geben. Und mit dem werbetauglichen y2k-Hype im Rücken wollten alle sehen, wie hier die große virtuelle Verschwörung ins analoge Medium Kino übersetzt wird.

Thomas Anderson alias Neo (Keanu Reeves) lebt in einer postindustriellen Metropole am Ende des 20. Jahrhunderts. Das glaubt er zumindest, bis er bei seinen illegalen Datenraubzügen auf den sagen-umwobenen Morpheus (Laurence Fishburne) trifft. Der erklärt Neo die Welt, wie sie wirklich ist: Eine atomare Wüste, in der Menschen in Brutkästen gehalten werden und als Energiespender für eine künstliche Intelligenz dienen. Die Herrschaft der Maschinen wird durch eine dreidimensionale Computersimulation globalen Ausmaßes – die Matrix – gesichert. In dieser fristet die ahnungslose Menschheit ihr vorprogrammiertes Dasein und wartet auf nichts Geringeres als Erlösung. Die kommt, so will es die Prophezeiung, durch Neo, der sich der Widerstandsgruppe um Morpheus und Trinity (Carrie-Anne Moss) anschließt, um als schwerbewaffneter Heiland den Cyber-space zu missionieren.

Bar jeden Humors buchstabiert der Film sein überdeterminiertes ABC – Apokalypse, Baudrillard, Christus –, während sich die Protagonisten von einer spektakulären Kampfsequenz zur nächsten morphen. Als messianische Erlösungsgeschichte ohne jegliche Brechung kolportiert Matrix fernöstliche Philosophie, Zeitgeist und eine allzu bekannte Verfallsästhetik, die in grünstichigen Abbruch-Bildern zelebriert wird: das marode global village durch die Becks-Flasche gesehen. So dominiert statt des ständig postulierten Bruchs mit Sehgewohnheiten ein konventioneller Nihilismus-Chic, weshalb die Guerilla im Cyberspace auch schwarzen Designerzwirn trägt, in der harten Realität jedoch in groben Strickwaren vor sich hin menschelt.

Wem es aber gelingt, die Hybris des Sichtbarmachens sowie die absurde Ernsthaftigkeit zu ignorieren, der kann das Ganze recht amüsiert zur Kenntnis nehmen. Schließlich ist der Weg von Platons Höhlengleichnis zu Tomb Raider gar nicht so weit, und als anämischer Bruder von Lara Croft taugt Keanu Reeves immerhin als role model für frus-trierte New Media-Knechte: statt mit Milchkaffee den Selbsthass zu ersäufen, einfach mal der Maschine vor den Latz ballern.

David Kleingers

heute bis Mi, 7.3., 22.30 Uhr + 8. - 14.3., 15.30 Uhr (am 11.3., 15.15 Uhr), 3001