tamtürktür ... der wahre türke (6)
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von BJÖRN BLASCHKE

Die Geschichte der monotheistischen Weltreligionen ist auch die Geschichte der langweiligen Vornamen. Die Juden nennen ihre Kinder gern nach talmudischen Heldinnen und Helden; man denke an Sara oder Isaac. Die Christen halten sich an ihre Bibel, was zu einer Unzahl von Michaels, Johannessen und Pauls führt. Aber auch Muslime sind kein Deut inspirierter: Zwischen Mohammed und Ahmed ist allenfalls noch Platz für eine langweilige Fatima. Die extremistischen Anhänger dieser Religionen suchen sich sogar Namen, in denen ER gleich enthalten ist: Gabriel, Ali oder Elias – Gott steckt in ihnen. Zusammengenommen aber stellen Islam, Christen- oder Judentum die Dreifaltigkeit der Einfaltigkeit dar: Selbdritt suggerieren all ihre einfallslosen Vornamen einfältigen Glauben.

Religionen sind eben Gleichmachereien, betrieben von einigen wenigen Menschen gegen die vielen anderen. Besser gesagt: mit ihnen, da die meisten gleich sein wollen, wofür sie sich durch größtmögliche Verschnarchtheit qualifizieren. „Was für eine Theorie“, nickeln jetzt manche, „was können Kinder für den Namen, der ihnen gegeben wurde?“ Und diese Schlaumeier haben Recht. Doch bestätigen die vielen bräsigen Petras und Andreasse, die ihre Kinder wiederum Andrea oder Peter heißen, das Sprichwort „nomen est omen“. Sie sind Fleisch gewordene Beweise dafür, dass sich Phantasielosigkeit vererbt. Selbst Eltern, die sich atheistisch, vorurteilsfrei und „total open“ geben, schaffen selten mehr, als ihren Ablegern einen Glaubensstempel aufzudrücken – wenn auch mit Namen aus anderen Religionen. Unter den „Ich-bin-ausgetreten-Christen“ zur Zeit äußerst beliebt: Rachel. Und sollte jemals jemand sein Kind wirklich originell benennen wollen, so wird dieses Ansinnen sanktioniert: Hierzulande sollen Vornamen das Geschlecht eines Menschen anzeigen und ihm im erwachsenen Alter nicht zum Nachteil gereichen: Pepsi geht so wenig wie Papst oder Hitler. Was dem Nachwuchs auch nicht zu gönnen ist.

Nicht um viele Varianten reicher, wenn auch weniger religiös, ist die wunderbare Welt der Nachnamen. Ein Blick ins örtliche Telefonbuch genügt und eine Ahnung wird bestätigt: Meier, Müller und Schmidt haben gewonnen. Das ist auch in den meisten anderen europäischen Ländern so, obwohl sie dort anders heißen. „Innovative Varianz statt extreme Redundanz“ ist dagegen das Motto der Türken. Als Kemal Pasa die neue Türkei erschaffen hatte, wollte er die ganzen Ayhans und Mehmeds nicht einfach durchnummerieren. „Gestatten, dass ich mich Ihnen vorstellen: Mein Name ist Ibrahim 4.712.398 ... “ – das war ihm zu schlicht. Kemal ließ sich fortan Atatürk heißen – Vater aller Türken. Und um auch seine Türkenkinder namentlich unterscheiden zu können, befahl er ihnen 1934 per Gesetz, sich einen Nachnamen zu suchen. Selbstverständlich waren einige von ihnen so langweilig, wie nur Schnurrbartträger sein können. Andere aber waren die Kreativität in Person. Von diesen Murabahacilar („Halsabschneidern“) und deren Kindern bald mehr an dieser Stelle.