Ein Etappensieg für Bill Gates

Microsoft wird vielleicht doch nicht zerschlagen. Das Berufungsgericht hat die Teilung des Softwaregiganten in Frage gestellt. Diese war von Richter Thomas P. Jackson angeordnet worden, weil die Firma angeblich ihre Monopolstellung missbraucht

aus Washington ELLY JUNGHANS

Der Softwaregigant Microsoft hat gute Chancen, intakt aus dem von den US-Behörden angestrengten Marathonprozess wegen Monopolmissbrauchs hervorzugehen. Bei der mündlichen Verhandlung in Washington nahm das US-Berufungsgericht in dieser Woche das Zerschlagungsurteil von Bundesrichter Thomas Jackson nach allen Regeln der Kunst auseinander. Die Berufungsrichter ließen kaum ein gutes Haar an Jacksons Entscheidung und äußerten offen ihr Missfallen über seine Fehde mit Microsoft. Die Fachleute gehen davon aus, dass der Fall spätestens im Sommer an die erste Instanz zurückgegeben wird. Die US-Regierung dürfte sich dann erneut um einen Vergleich bemühen, sofern auch die mitklagenden Bundesstaaten ein Einsehen haben.

Die zweitägige Berufungsverhandlung in Washington geriet am Montag und Dienstag zu einem Triumph für Microsoft. Selbst die im ersten Prozess ermittelten Tatsachen, laut denen der Konzern mit illegalen Mitteln versuchte, den Markt für Internetprogramme zu kapern, waren den Berufungsrichtern nicht heilig. Für ihn seien Jacksons Fakten kein Evangelium, sagte der Vorsitzende Harry Edwards. Die Koppelung des Microsoft-Browsers Explorer an das Betriebssystem Windows habe nicht ausgereicht, den Rivalen Netscape mit seinem Konkurrenzprodukt Navigator aus dem Markt zu drängen.

Indigniert zeigten sich die Berufungsrichter über das Verhalten von Bundesrichter Jackson, der Microsoft-Gründer Bill Gates in einem Interview als Möchtegern-Napoleon bezeichnet hatte. „Unser Justizsystem würde der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn alle Richter rumlaufen und so etwas tun würden“, schimpfte Edwards. Dennoch schien das Berufungsgericht nicht bereit, Jackson für voreingenommen zu erklären und sein Urteil deswegen zu annullieren. Wandert der Fall zurück an die erste Instanz, dürfte aber ein anderer Richter damit betraut werden.

Mit Jacksons Entscheidung, Microsoft in eine Firma für das Betriebssystem Windows und eine zweite für Anwendungsprogramme zu teilen, konnten sich die Berufungsrichter nicht anfreunden. Es fehle jeder Präzedenzfall für die Zerschlagung eines Unternehmens, das nicht aus Fusionen entstanden sei, bemängelte Richter Douglas Ginsburg. Zudem behalte Microsoft ja selbst bei einer Zweiteilung sein Monopol bei den Betriebssystemen. Der Anwalt der US-Kartellbehörde, David Frederick, hatte den Argumenten kaum etwas entgegenzusetzen.

Für Microsoft hängt viel davon ab, ungeschoren aus dem Prozess herauszukommen. Sowohl die Zweiteilung als auch mildere Sanktionen würden die Strategie des Unternehmens auf den Kopf stellen. Derzeit strebt der Konzern die vollständige Integration von Anwendungen in sein Betriebssystem an. Im Fall einer Teilniederlage vor dem Berufungsgericht könnte Gates die weiteren Verfahrensschritte aussitzen – oder in Vergleichsverhandlungen mit der neuen US-Regierung eintreten, die ihm besser gesinnt ist als ihre Vorgängerin.

Für den Branchenkenner Bill Whyman von der Precursor Group, einer Analystengruppe in Washington, hat der Konzern von Bill Gates bereits gewonnen. „Das Schlimmste ist für Microsoft vorüber“, meinte Whyman nach dem ersten Verhandlungstag. Das Berufungsgericht werde voraussichtlich den Großteil von Jacksons Urteil kassieren. Der Kartellrechtsexperte Bill Kovacic von der George-Washington-Universität ist da vorsichtiger. Es sei gefährlich, in die Fragen der Berufungsrichter zu viel hineinzulesen: „Vielleicht verbergen sie ihre wahren Gefühle ja.“