Wundersame Geldspritze

■ Kameruner muss Freundschaftsdienst für Landsleute teuer bezahlen. Weil die Geld-machenden Magiere verschwanden, hielt Möchtegern-Reicher sich an den Angeklagten

Wie kann man in drei Minuten 100.000 Mark verdoppeln? Nichts leichter als das: Man nehme einen echten Hundertmarkschein, lege ihn auf eine Alufolie zusammen mit zwei Blanko-Papieren in derselben Größe – diese stammen aus einer afrikanischen Kriegsreserve und sind deshalb unbedruckt – und rolle die Scheine zusammen. Dann injiziere man eine blaue Flüssigkeit und lasse das Ganze drei Minuten ziehen. Das Resultat: Drei Hundertmarkscheine.

Diesen wundersamen Trick konnte Peter S. im Oktober 1998 im Hotel Marriot beobachten. Und fiel dabei übel auf die Nase. Gestern stand deswegen der 28-jährige Kameruner Jean Rudolphe D. vor dem Bremer Amtsgericht. Er wurde der „Beihilfe zum Betrug“ beschuldigt, weil er die Täter, die er aus Studienzeiten in Paris kannte, zu einem ersten Treffen mit dem Geschädigten in das Hotel Marriot nach Bremen gebracht hatte.

Der eigentliche Betrug fand jedoch erst zwei Wochen später im Bremer Hotel Maritim statt. Der Angeklagte bestritt, von dem Betrug gewusst zu haben – und auch das Opfer Peter S. wollte seine Aussage erst dann zu Protokoll geben, „wenn die richtigen Leute da sitzen“.

Nachdem Peter S. 1998 Zeuge der wundersamen Geldvermehrung gerworden war und der Schein sich nach einer Überprüfung bei der Post sogar als echt erwies, ließ er sich auf einen 100.000-Mark-Deal ein. Die zweite Geburt verlief allerdings nicht ganz so erfolgreich. Angesichts der großen Geldmenge hatte die blaue Chemikalie die gegenteilige Wirkung. Die 100.000 Mark wurden zu wertlosen Blankoscheinen und die Zauberer verschwanden ohne jede Spur aus dem Hotel.

Die einzige Fährte führte zu Jean Rudolphe D. Er hatte nach seinen Fahrdiensten vergeblich versucht mit seiner Kreditkarte für die Übernachtung im Hotel Marriot zu bezahlen.

Bei zwei Begegnungen mit dem Landsmann in Paris war der Kameruner selbst Zeuge des wundersamen Schauspiels und konnte sich so um 100 Franc und 100 Mark reicher schätzen. Beim zweiten Versuch kamen jedoch auch ihm Zweifel an den magischen Kräfte seines Freundes. Dennoch versuchte er, mit dem Geld im heimatlichen Minden zu bezahlen und nahm einen Koffer mit Utensilien zur Geldvermehrung in seine Obhut. Eine gewöhnliche UV-Lampe identifizierte den Schein in Minden als Falschgeld, die Polizei attestierte ihm bei einer späteren Untersuchung jedoch Echtheit.

Zum Zeitpunkt der Tat studierte Jean Rudolphe D. in Minden Bauingenieurwesen. Die Fahrt mit Fredi B., wie er seinen alten Klassenkameraden mit Spitznamen nennt, habe er gemacht, um ihm bei einem Autokauf in Bremen zu helfen, gab er an. Ein Freundschaftsdienst, den er seinen Landsleuten schon häufiger angeboten hatte. Zu dem Autokauf kam es allerdings nie. Er lieferte den Freund lediglich am Abend im Hotel Marriot ab und versuchte das Hotelzimmer mit seiner Kreditkarte anzuzahlen. Von diesem kleinen Freundschaftsdienst erhoffte er sich, seine Geldbörse kurzfristig zu füllen, so lange bis das nächste Geld aus Kamerun auf seinem Konto einging. Entgegen den Vereinbarungen kehrte er am folgenden Samstag nicht nach Bremen zurück, sondern wimmelte seinen Bekannten am Telefon mehrmals ab. „Ich hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache und wenig Zeit, weil ich mich um mein Kind kümmern musste,“ gab er gestern in der Verhandlung an.

Im Januar letzten Jahres hatte er während einer Polizeivernehmung allerdings ein wenig unbedachter ausgesagt. Damals hatte er eine Ahnung des Betruges zugegeben. Eine Aussage, die er heute auf seine schlechteren Deutschkenntnisse und die suggestiven Fragen des Polizeibeamten zurückführt. „Außerdem bin ich am Abend zuvor erst sehr spät ins Bett gekommen, weil Steffi Graf in der Nacht gespielt hat“, erklärte er.

Offenbar war auch der protokollführende Polizeibeamte nicht so ganz aufmerksam. Er hatte nämlich während der gesamten Vernehmung die beiden Hotels Marriot und Maritim verwechselt.

Dieses und seinen Freundschafts-dienst muss Jean Rudolphe D. nun teuer bezahlen. Nachdem er eine Einstellung des Verfahrens ohne Entschädigung für die zweimonatige Untersuchungshaft abgelehnt hatte, wurde er zu 90 Tagessätzen à 20 Mark verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von insgesamt 1.500 Mark gefordert.

Dieses Urteil will der Angeklagte, der aus finanziellen Gründen ohne Verteidiger aufgetreten ist, auf jeden Fall anfechten. VvO