Ganz sicher überhaupt keine Zerreißprobe

Die Grünen wollten den internen Konflikt um die Castor-Transporte gerne vor ihrem Parteitag beilegen. Es ist ihnen nicht gelungen

BERLIN taz/afp ■ Heimlich, still und leise sollte der Streit geschlichtet werden. Grünen-Chef Fritz Kuhn wollte den Konflikt in seiner Partei um den Castor-Transport nach Gorleben unbedingt noch vor dem Bundesparteitag Mitte März in Stuttgart beilegen. Doch daraus wurde nichts. Wie gestern bekannt wurde, endete ein konspiratives Treffen von Kuhn und Umweltminister Jürgen Trittin mit den Chefinnen des rebellischen Landesverbandes Niedersachsen am Freitag ohne Ergebnis. Weitere Gespräche seien nun nicht mehr zu erwarten, hieß es aus Grünen-Kreisen in Berlin.

Der Grund für den Streit: Die Bundes-Grünen wollen den Ende März oder Anfang April erwarteten nächsten Castor-Transport von der franzöischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins Zwischenlager Gorleben als Teil des Atomkonsenses akzeptieren und lehnen Proteste weitgehend ab. Die niedersächsischen Grünen, die unter starkem Druck örtlicher Atomkraftgegner aus dem Raum Gorleben stehen, wollen die Proteste dagegen unterstützen.

„Für uns gibt es weiterhin mehrere gute Gründe, warum man sich in Gorleben querstellt“, sagte Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, gestern der taz. „Die Gründe richten sich nicht in erster Linie gegen Atomtransporte, wie das oft erscheint in der aufgeregten Debatte, sondern die Proteste finden anlässlich dieser Transporte statt.“ Und daran werden sich die Niedersachsen beteiligen – ob das der Bundespartei gefällt oder nicht. „Ich kenne sehr viele Grüne, die werden nach Gorleben fahren, wenn dieser Transport kommt“, erklärte Harms, „manche werden sich auch auf die Straße setzen.“

Eines aber wollen beide Seiten – Bundespartei und Landesgrüne – verhindern: Dass der Streit um den Castor-Transport den Parteitag überschattet. Nach den gescheiterten Schlichtungsversuchen bemühte sich gestern auch Harms, die Bedeutung des Konflikts herunterzuspielen: „Das wird nicht zu einer Zerreißprobe für die Grünen werden“, beruhigte Harms die besorgten Parteitagsmanager. Auch Parteichef Kuhn versuchte, den Eindruck eines Zerwürfnisses zu relativieren. Das Treffen vom Freitag habe lediglich „dem genaueren Kennenlernen der Positionen“ dienen sollen, sagte Kuhn der Stuttgarter Zeitung.

Noch genauer wird Kuhn die Positionen auf dem Parteitag kennenlernen. Denn trotz aller Friedensangebote werden die Grünen dort nicht um eine ausführliche Diskussion des Themas herumkommen. Wie es aus Parteikreisen hieß, wird der Bundesvorstand einen Antrag einbringen, der sich weitgehend auf den Parteiratsbeschluss vom Januar stützen dürfte. Darin ist ein klares Ja zu den Transporten und ein Nein zu den Blockaden enthalten. Die niedersächsischen Grünen sowie weitere Atomkraftgegner aus anderen Bundesländern dürften Gegen- oder Änderungsanträge vorlegen. „Wie die Debatte um die richtige Position zu Gorleben ausgehen wird“, so Harms zur taz, „wird man in Stuttgart sehen.“ Die Niedersachsen wollen jedoch nicht nur die Frage „Proteste ja oder nein“ auf die Tagesordnung bringen, sondern grundsätzliche Fragen klären: „Es geht im Kern um die Proteste gegen eine Standortentscheidung, die vor vielen Jahren falsch getroffen wurde – um die Entscheidung, Gorleben als Endlagerstandort zu benennen.“ Schon damals, 1977, sei klar gewesen, „dass geologische Gründe eher gegen den Salzstock sprechen“. Solange an diesem „falschen Standort“ festgehalten werde, betonte Harms, solange „wird es auch Proteste geben“. LUKAS WALLRAFF, BES