Lieber Kinder als Flüchtlinge

Mit Sachlichkeit „verschont geblieben“: RissenerInnen debattieren über Unterkunft. Spendenkampagne für Alternativnutzung  ■ Von Heike Dierbach

„Die Asylanten sollen es weltweit wissen: Das schönste Heim der Welt hat Rissen“, steht auf dem Plakat am Eingang. Darunter ein Luftbild von der Villa am Sandmoorweg. „Der Quatsch ist nicht von uns“, distanziert sich der Vorsitzende des Rissener Bürgervereins, Hartmut Roderfeld, auf Nachfrage. Denn die RissenerInnen, das betonen sie immer wieder, bleiben „sachlich“: Rund hundert EinwohnerInnen sind am Donnerstag Abend in die Aula des Gymnasiums Rissen zu einer Anhörung über eine mögliche Flüchtlingsunterkunft in der Villa am Sandmoorweg gekommen.

„Ehemals möglich“, müsste es korrekt heißen. Denn die SPD, die bis vor einer Woche noch die Unterkunft auch gegen die Proteste von AnwohnerInnen durchsetzen wollte, ist umgeschwenkt (siehe nebenstehendes Interview): Sie favorisiert nun auch ein Kinderhos-piz in dem Gebäude. „Von den Asylbewerbern sind wir verschont geblieben“, sagt der Herausgeber der Rissener Rundschau, Claus Grötzschel, und ruft gleich zu Beginn der Debatte zu einer Spendenkampagne für das Hospiz auf: Denn der Verein „Sternenbrücke“ muss in acht Wochen das Geld für das Hospiz zusammenbekommen. Sonst ist wieder offen, was aus der Villa wird. Grötzschels Vorschlag, die AnwohnerInnen am Sandmoorweg sollten ein Prozent ihres Grundstücks- und Gebäudewertes spenden, findet Beifall.

Eine ältere Bürgerin, selber Flüchtling aus Ostpreußen, warnt, dass man den schönen Park um die Villa „vergessen kann“, wenn dort Flüchtlinge einziehen. Sie beklagt: „Die erheben nur Forderungen, die man ihnen hier beigebracht hat.“ In einem Heim habe sie den Satz gehört: „Wir Flüchtlinge. Wir nicht gekommen, hier aufräumen.“ Lauter Applaus. Auch die Schill-Partei hat einen Vertreter geschickt, Bürgerschaftskandidat Stephan Müller. Er erntet aber mit seiner Unterstellung, Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer habe mit der Besitzerin der Villa geheime Absprachen getroffen, nur wenig Beifall.

Müller darf allerdings ungestört reden – im Gegensatz zu dem einzigen Anwohner, der die „offene Ablehnung der Flüchtlinge“ kritisiert, Winfried Sdun. „Der soll seinen Beruf nennen“, ruft ein Zuhörer, und ein anderer: „Hat der Ausgang?“ Sdun mahnt die Rissener, nun auch ihre Ankündigung wahr zu machen und eine andere Unterkunft für Flüchtlinge in Rissen zu suchen. Dem GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Mahmut Erdem hört schon kaum einer mehr zu, als er warnt, „Flüchtlinge nicht gegen Kinder auszuspielen“. Lautes Reden und Gelächter ringsum.

In der Tat war es die „Abwägung zwischen Flüchtlingen und Kinderhospiz“, die die SPD am Mittwoch ihre Meinung ändern ließ. Das Hos-piz ist die bisher einzige Alternative, weil die Nutzung der Villa laut Bebauungsplan von „öffentlichem Interesse“ sein muss. „Es ist schon zynisch“, sagt der Fraktionsvorsitzende Horst Emmel, „mancher Rissener kauft sich jetzt seine Umgebung flüchtlingsfrei“. Das Dilemma sieht die Schirmherrin des Hos-pizes, Landespastorin Annegrethe Stoltenberg, nicht: „Wir haben uns erst dann beworben, als klar war, dass die Flüchtlingsunterkunft nicht kommt.“ Spender habe es vorher auch gegeben. Allerdings wenige aus Rissen.