Reform auf der Kriechspur

■ Kaum Interesse für Modellversuch „alternierende Telearbeit“ / Trotz verlängerter Frist erst 25 Bewerbungen von Verwaltungsangestellten / Sondermodell für leitende Angestellte geplant

Peter Markmann* ist ein Ausnahmemann. Der Bremer Finanzbeamte träumt von der Chance auf Telearbeit. Die soll ihm ein Modellprojekt des Finanzressorts bieten. Bis Mitte März können sich Verwaltungskräfte aus allen Ressorts dafür bewerben. Danach, hofft Markmann, könnte er seine Arbeitszeit zwischen dem Büro Finanzamt-West und dem Arbeitszimmer zu Hause freier einteilen. Frau und Kinder wären zufriedener. Er selbst müsste die KollegInnen seltener ertragen. Denn das große „Warnargument“ von der sozialen Isolation durch Bildschirmarbeit gilt für den 36-Jährigen eher umgekehrt. Er fürchtet KollegInnen, die ab früh um neun auf den Feierabend lauern und seit Jahren von der Pensionierung sprechen. „Das killt die Motivation“, sagt Markmann. Einer inneren Kündigung setzt er Telearbeit entgegen. Ob er aber darf, wird erst geprüft.

„Die Vereinbarung zwischen Gesamtpersonalrat und Finanzressort gibt klare Kriterien dafür vor“, betont Anne Grunert vom Gesamtpersonalrat. Arbeitsplätze, an denen personenbezogene Daten eine zentrale Rolle spielen, sind vom Modellprojekt ausgeschlossen. Aus der Traum also für SachbearbeiterInnen im Sozialamt – und auch ob Markmann Steuerklärungen zu Hause prüfen darf, wird wohl ein Fall für Erörterung. „Der Modellversuch ist sowieso auf höchstens 15 Personen begrenzt“, sagt Grunert. Sie gehe nicht davon aus, dass es mehr werden können. So gesehen ist das minimale Interesse für Telearbeit vielleicht segensreich: Denn von den vielen tausend, die aus der gesamten bremischen Verwaltung theoretisch in Frage kommen, haben sich erst 20 beworben. Dabei ist es schon der zweite Anlauf, die behördlichen Arbeitsplätze zu flexibilisieren.

Schon 1998 gab es – zeitgleich mit Hamburg – einen ersten Versuch. Während an der Elbe 13 Personen die teilweise Heimarbeit antraten, waren es in Bremen gerade mal vier. „Das entspricht sich, hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Verwaltungsmitarbeiter“, sagt zwar der zuständige Verwaltungsreformer aus dem Finanzressort, Henning Lühr. Als Erfolg lässt sich der Bremer Fehlstart damit aber nicht verkaufen. Im Gesamtpersonalrat heißt es im Rückblick: „Viele Vorgesetzte waren dagegen“ – auch weil die Ressorts sich an den Kosten für den neuen Arbeitsplatz beteiligen sollten.

In Hamburg wurde der erste Modellversuch unterdessen abgeschlossen. Seit Januar gilt die „alternierende Telearbeit“ dort als flächendeckendes Angebot. Bis zu 100 solcher Arbeitsplätze werden erwartet. Hat Bremen verschlafen?

„Nein, die Reformstrategen haben nicht verpennt“, sagt Lühr. Zusätzlich zum Modellversuch soll eine Variante für 27 leitende Angestellte aus dem Finanzressort kommen. Gerade rechtzeitig, wie er meint. „Vor Jahren waren die Informationen, die man zuhause braucht, doch noch nicht erreichbar.“ Jetzt sollen die Finanzleute zur Vorzeigetruppe für alle Ressorts werden. Auch Richter und Staatsanwälte stünden schon in den Startlöchern. Damit würde Bremen am Ende des Jahres zahlenmäßig nicht einmal hinter Hamburg zurückstehen – wo zwischen Modellversuch und flächendeckendem Angebot ein Jahr lag. „Die Verhandlungen mit dem Personalrat waren intensiv“, heißt es zurückhaltend. „In der Verwaltung muss man eben Dauerläufer sein“, sagt Lühr. burro

*Name und Arbeitsplatz geändert