Ballfixierter Populismus

Der Kanzler hat sich in die Debatte um die WM-Übertragungsrechte eingeschaltet. Dass die Chancen für ARD und ZDF tatsächlich wieder steigen, liegt aber in vielerlei Hinsicht schlicht am Geld

von STEFFEN GRIMBERG

Fußballweltmeisterschaften sind ab sofort Chefsache: In Mainz deutete der Kanzler unverhohlen an, die Politik könne auch anders. Nämlich nach englischem Vorbild eine Komplettübertragung der WM 2002 wie 2006 im Free-TV gerichtlich erzwingen.

Damit sekundiert der Bundesregierungschef nun direkt seinem Parteifreund und wahlkämpfenden Landesregierungschef Kurt Beck. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident ist in der Sportrechte-Diskussion ohnehin tief verwurzelt, schließlich sitzt er der Rundfunkkommission der Länder vor und ist nebenbei Chef des ZDF-Verwaltungsrates. Passend zur Kanzler-Untersützung hat Beck nun via Saarbrücker Zeitung auch gleich noch seinen Optimismus verbreiten lassen, dass öffentlich-rechtliche Anstalten und Kirch-Gruppe ihre in der vergangenen Woche abgebrochenen Verhandlungen wieder aufnehmen.

Doch die Diskussion läuft merkwürdig zweigleisig: „Sagen Sie ihren Leuten, mit ARD und ZDF einen Vertrag zu schließen, damit die Fans das sehen, was sie wollen und was sie verdienen“, hatte Gerhard Schröder beim politischen Aschermittwoch der rheinland-pfälzischen SPD an die Kirch-Gruppe appelliert. Die öffentliche Forderung nach weiter gehenden gesetzlichen Regelungen, die Schröder nach eigenem Bekunden „nicht so gerne anordnen“ möchte, kann aber höchstens in Sachen Free-TV wirksam werden: Eine Möglichkeit, die Kirch-Gruppe rundfunk- oder sonst irgendwie rechtlich auf einen Verkauf der WM-Übertragungsrechte an ARD und ZDF zu verpflichten, gibt es nicht. Zumal hier der Widerstand von Weltfußballverband Fifa und Europäischer Kommission programmiert wäre. Sportrechte per se sind eine handelbare Ware, so ihr Grundsatz. Dass bei besonders „heiligen“ Ereignisse eine Free-TV-Verpflichtung eingeräumt wird, ist eine Ausnahme.

Eine Ausnahme, an deren deutscher Version Kurt Beck im Übrigen bis ins kleinste Detail mitgefeilt hat: Der Zusatz zum derzeit gültigen Rundfunkstaatsvertrag über „gesellschaftliche Großereignisse“, der minituös regelt, wie viel Fußball frei empfangbar für alle ohne Zusatzentgelt zu sehen sein muss, ist seinerzeit federführend von ihm ausgehandelt worden.

Dieser Zusatz schreibt mit maximal 12 Begegnungen pro WM (Details siehe taz vom 27. 2.) allerdings weniger vor, als die Kirch-Gruppe nun wiederholt fürs Free-TV angeboten hat – nämlich 25 Spiele.

Nun führt die hohe Politik gern an, die öffentlich-rechtlichen Sender ließen gerade bei der im eigenen Lande stattfindenden WM 2006 eine bessere und wirkungsvollere Präsentation des Standorts Deutschland erwarten, und rechtfertigt so ihre krude Rechnung, bei der Free-TV-Verpflichtung könne eigentlich nur etwas Öffentlich-Rechtliches herauskommen. Blockübergreifend übrigens: Auch Bayerns Staatskanzleichef Erwin Huber (CSU) hält laut Süddeustcher Zeitung eine WM-„Grundversorgung“ durch ARD und ZDF für erforderlich.

Dass die Chancen auf Anstalts-fußball derzeit tatsächlich wieder steigen, liegt allerdings an etwas anderem: RTL ist der WM-Deal offenbar zu teuer. Für die ebenfalls an RTL beteiligte WAZ-Gruppe sagte deren Geschäftsführer Erich Schumann der SZ, „bei diesen Preisen“ seien die Weltmeisterschaften „kein Geschäft“. Und auch aus Kreisen von Kirchs eigener Free-TV-Holding ProSiebenSat.1Media AG ist zu hören, das man mit neuer Verhandlungsbereitschaft in Richtung ARD und ZDF rechnet.

Gerade der plötzliche Vorstoß der bayerischen Staatsregierung gibt zudem noch einer viel kühneren These Nahrung: Um gemeinsam mit EM.TV die Kontrolle über den Autorennzirkus Formel 1 erwerben zu können (siehe taz von gestern), hat eben erst wieder die halbstaatliche Bayerische Landesbank der Kirch-Gruppe einen weiteren Kredit eingeräumt. Vielleicht mit dem dezenten Hinwies, ein wenig Flexibilität in Sachen WM-Rechte könnte nicht schaden.