Beamte bestechen muss sein

Die taz ist für einen Auslandskorrespondenten unrentabel. Weshalb geht er für sie nach El Salvador?

von TONI KEPPELER

Was macht eigentlich ein Auslandskorrespondent? Er korrespondiert aus dem Ausland mit der Heimat. Damit ist das Wichtigste gesagt: Der Korrespondent, respektive die Korrespondentin, lebt in der Gegend, über die er oder sie schreibt. Und gleichzeitig kennt er oder sie die taz und ihre Leser, Berlin und Deutschland. Denn nur so kann er (bleiben wir beim er, ich bin nun mal einer) verständlich erklären, was da draußen eigentlich passiert.

Das unterscheidet ihn vom Agenturmitarbeiter. Der weiß nämlich nicht, für wen er schreibt. Seine Texte werden in der Regel in viele Sprachen übersetzt, müssen in jedem beliebigen Land abdruckbar sein, in rechten wie in linken wie in gesichtslosen Zeitungen. Also: Wer hat wann wo was getan. Keine Erklärungen.

Wie auch? Meine Kollegen hier in San Salvador, die für dpa, Reuters, AFP oder AP schreiben, sind alles Salvadorianer. Keiner von ihnen hat Deutschland je gesehen. Das ist mein Vorteil und auch der Vorteil der taz-LeserInnen. Ich habe 37 Jahre lang in Deutschland gelebt. Ich habe die taz seit ihrer Gründung gelesen. Ich weiß, für wen ich schreibe.

Dieser Vorteil ist teuer. Denn die taz muss nicht nur das Agentur-Abo bezahlen, sondern auch mich. Und nicht nur mich, sondern 24 weitere Kolleginnen und Kollegen in aller Welt. Sie bezahlt zwar schlecht. Aber darauf kommen wir später zurück.

Bleiben wir erst noch bei den Vorteilen. Einer meiner Vorteile ist, dass es Agenturen gibt und dass die taz eine Menge davon abonniert hat. Ich muss mich also nicht um jede kleine Nachricht kümmern. Ich kann auswählen, was wirklich wichtig ist und was erklärt werden muss. Und oft wähle ich Nachrichten aus, die nicht von den Agenturen verbreitet werden, weil genau die für die taz-LeserInnen wichtig sein könnten. Mein taz-Gebiet heißt „Zentralamerika und Karibik“. Das sind, grob geschätzt, 25 Länder, von denen ich einige noch nicht kenne. St. Vincent zum Beispiel. Von dieser Karibikinsel habe ich gerade einmal die Fußball-Nationalmannschaft 1:7 gegen El Salvador verlieren sehen. Trotzdem war ich für St. Vincent.

Ich lebe nämlich schon fast sieben Jahre in El Salvador und weiß, dass der hiesige Fußball-verband ein korrupter Haufen ist, dessen Führungsriege eigentlich ins Gefängnis gehört. Das ist ein Vorteil für meine LeserInnen: Ich lebe hier. Ich habe mehr oder weniger sympathische Nachbarn, ich habe Freunde. Ich stehe zusammen mit vielen Salvadorianern in langen Schlangen, um unsinnige bürokratische Hindernisse zu überwinden. Wie alle anderen muss auch ich Beamte bestechen, damit sie das tun, was sie von Amts wegen eigentlich tun müssen. Ich gebe dem Briefträger Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld, damit er mir meine Post bringt und sie nicht wegschmeißt.

Das ist Alltag. Den muss man kennen, wenn man sinnvoll über Politik schreiben will. Denn offizielle Erklärungen sind hier genau so lebensfremd wie in Deutschland. Eigentlich sollte ich das selbe Wissen auch über all die anderen Länder haben, die ich betreue. Was Nicaragua, Honduras und Guatemala angeht, erreiche ich das nahezu. Ich bin oft genug dort und erspare der taz sogar die Hotelkosten, weil ich längst Freunde habe, die mich aufnehmen. Die Flasche Gordon Gin, die mein Freund in Nicaragua als Eintritt verlangt, habe ich noch nie auf die Spesenrechnung gesetzt.

Damit kommen wir zu den Nachteilen. Korrespondenten müssen bezahlt werden, ihre Reisen auch, aber die taz hat wenig Geld. Die meisten von uns würden verhungern, wenn sie nur für die taz arbeiten würden. Fast alle haben das, was man einen „Bauchladen“ nennt.

Alle – außer Springer

Wer immer etwas haben will, bekommt es. Wenn es nicht gerade die Springer-Presse ist. Man hat seine Grenzen.

Wenn ich reisen will, klopfe ich bei allen an und bitte um ein paar Hunderter. Manchmal kommt das nötige Geld zusammen, manchmal auch nicht. Manchmal reise ich trotzdem. Manchmal kann ich es mir schlicht nicht leisten.

Die taz ist in meinem Bauchladen ein Sonderfall. Unter dem Verwertungsgesichtspunkt völlig unrentabel. Sie bringt Geschichten, die keine andere Zeitung haben will. Zwei Jahre nach dem Wirbelsturm „Mitch“ interessiert sie sich noch immer für die Opfer des Erdrutschs am Vulkan Casitas. Ich reise hin und schreibe eine Reportage. Das rechnet sich nicht. Aber es sind genau die Geschichten, die ich gerne schreibe.