DAG-RENTENFONDS BRAUCHT ETHISCHE ANLAGEKRITERIEN
: Die Waffe des Kapitalismus nutzen

Roland Issen fordert gewerkschaftliche Pensionsfonds. Der DAG-Chef hat Recht: Die Rentenreform zwingt 30 Millionen Arbeiter und Angestellte, viel Geld in neuen Altersvorsorgeprodukten anzusparen. Warum sollen nur Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen davon profitieren?

Mit der Riester-Reform erledigt die rot-grüne Regierung leichtfertig den bewährten Solidargedanken zwischen Jung und Alt. Zukünftig wird die Rentenhöhe von Kapitalmarkt und Kursen abhängen. Pro Jahr werden heutige Arbeitnehmer in ihre Rente privat bis zu 80 Milliarden Mark investieren. Es drängt sich also geradezu auf, dass die Gewerkschaften eigene genossenschaftliche Anlagemodelle entwickeln, um die Milliarden ihrer Mitglieder nützlich zu investieren.

Dass viele Gewerkschafter trotzdem Issens Vorschlag ablehnen, liegt daran, dass der DAG-Chef einen Tabubruch begangen hat: Bisher waren Investmentfonds sehr unbeliebt, da sie die Rationalisierung und die „Freisetzung“ von Arbeitskräften forcieren. Hinzu kommen die schlechten Erfahrungen, die die Gewerkschaften mit der Neuen Heimat und anderen gemeinwirtschaftlichen Unternehmen gemacht haben. Nun könnte aus den damaligen Fehlern heute durchaus gelernt werden. Zumal mittlerweile klar ist, dass zur modernen Interessenvertretung mehr gehört als Betriebsratsarbeit und Streik.

Unklar bleibt jedoch, warum Issen partout auf soziale und ökologische Kriterien verzichten will. Aus gewerkschaftlicher Sicht wäre es doch äußerst sinnvoll, die Milliarden der Lohnabhängigen auch an ihnen ausgerichtet anzulegen. Dazu reicht keinesfalls ein bescheidener Negativkatalog, wie ihn einige Gewerkschafter andenken. Notwendig sind klare, von außen kontrollierbare ethische Anlagekriterien. Denn so könnten die Gewerkschaften über den viel beschworenen Markt Einfluss auf die Entwicklung unserer Wirtschaft nehmen – genau so, wie es andere Investmentfonds täglich tun.

Für die Gewerkschaften lohnt es sich, die Rentenmilliarden in Aktien von Firmen zu investieren, die Frauen radikal fördern, die Mitbestimmung ernst nehmen und die Shareholder-Value-Ideologie nicht mit der Sozialverpflichtung des Grundgesetzes verwechseln. Da aber auch die Sicherheit der Rentenmilliarden zentral ist, wird der Aktienanteil des „Gewerkschaftsfonds“ eng begrenzt bleiben müssen. Allein über den Kapitalmarkt lassen sich Gewerkschaftsprogramme nicht verwirklichen. Trotzdem: Den Gewerkschaften täte es gut, bei Angebot und Nachfrage mitzuspielen, um für die eigene Klientel zu wirken. HERMANNUS PFEIFFER