CDU: CDU nicht europäisch genug

In Deutschland werde Einwanderungspolitik zu deutsch diskutiert, finden Europaabgeordnete der Union

BERLIN taz ■ Die CDU/CSU-Abgeordneten im Europäischen Parlament (EP) werfen ihrer Partei vor, in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik zu nationalstaatlich zu denken. „Wenn ich mir die CDU-Einwanderungskommission anschaue, dann finde ich da viele intellektuelle Köpfe, aber ich habe nicht den Eindruck, dass dort die aktuelle europäische Diskussion angemessen berücksichtigt wird“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Christian von Boetticher gestern in Berlin.

Boetticher stellte im Auftrag des Vorsitzenden der Unionsgruppe im EP, Hartmut Nassauer, ein Positionspapier zur Asyl- und Einwanderungspolitik in der EU vor. Noch immer werde in Deutschland übersehen, dass die Einwanderungspolitik mit dem Vertrag von Amsterdam zu einem europäischen Projekt erklärt worden sei, kritisierte der Abgeordnete. Der Bundesregierung warf er vor, „zu verheimlichen“, dass SPD und Grüne im EP für wesentlich großzügigere Regelungen etwa beim Familiennachzug einträten, als Innenminister Schily sie im Ministerrat vertritt. Der Ministerrat ist das entscheidende Gremium in dieser Frage, in der Deutschland sich zuletzt beim Gipfel von Nizza ein Vetorecht vorbehalten hat. „Der Bevölkerung wird suggeriert, wir streiten hier in Deutschland über eine deutsche Regelung“, sagte Boetticher, „das verheimlicht, dass Europa längst an einer Regelung arbeitet.“

Jüngster Streitpunkt in der EU ist die Verteilung von Menschen, die im Zuge einer Massenflucht nach Europa kommen, auf die einzelnen Mitgliedstaaten. Die CDU/CSU-Abgeordneten im EP werten es als Erfolg, dass der Innenausschuss des Parlaments jüngst das Prinzip der „doppelten Freiwilligkeit“ abgelehnt hat. Nach diesem Vorschlag des zuständigen Kommissars Vitorino können Flüchtlinge sich entscheiden, in welchem EU-Land sie sich niederlassen. Gleichzeitig können Mitgliedstaaten sich von der Aufnahme von Flüchtlingen durch Ausgleichszahlungen freikaufen. „Ich bin gegen diese Scheckbuchmentalität“, sagte Boetticher gestern.

CDU und CSU plädieren stattdessen für eine Verteilung von Flüchtlingen nach Quoten. Länder wie Spanien würden zwar im Fall der Strukturfonds von der Solidarität Europas profitieren, wollten aber davon in der Flüchtlingsfrage nichts mehr wissen, kritisierte der Deutsche. Im März wird das EP über die doppelte Freiwilligkeit abstimmen.

PATRIK SCHWARZ