Kohl wieder ganz unschuldig

Landgericht Bonn folgt der Empfehlung der Staatsanwaltschaft und stellt das Ermittlungsverfahren gegen Exkanzler Helmut Kohl ein. Dieser muss nun 300.000 Mark Geldbuße zahlen – wahrscheinlich kommt das Geld aus den Erlösen seines Tagebuchs

von SEVERIN WEILAND

Seit gestern hat Helmut Kohl einen weiteren Rekord in seinem Lebenswerk zu verzeichnen: auch das dritte Ermittlungsverfahren, das gegen ihn in den letzten fünfzehn Jahren angestrengt wurde, wird nicht im Gerichtssaal enden. Das Bonner Landgericht folgte gestern der Empfehlung der Staatsanwaltschaft Bonn, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 300.000 Mark einzustellen.

Kohl wurde auferlegt, das Geld innerhalb von drei Monaten zu erstatten. Erst danach wird die Staatsanwaltschaft das Verfahren offiziell zu den Akten legen. Nach der Entscheidung des Gerichts fließt die Summe je zur Hälfte an die Mukoviszidose-Stiftung und an die Staatskasse, die damit einen Teil der aufgelaufenen Ermittlungskosten deckt. Als wahrscheinlich gilt, das Kohl einen Großteil der Geldbuße aus den Erlösen seines Tagebuches begleicht.

Die Ermittlungen gegen Kohl wegen Untreue zu Lasten der CDU waren vor vierzehn Monaten aufgenommen worden, nachdem der Altkanzler nach den ersten Veröffentlichungen eingestanden hatte, in den Neunzigerjahren 2,1 Millionen Mark an Parteispenden nicht im CDU-Rechenschaftsbericht verbucht zu haben.

Nach Ansicht des Gerichts war unklar, ob nach einem teuren und zeitaufwendigen Verfahren der Vorwurf der Untreue der Prüfung standgehalten und zu einer Verurteilung ausgereicht hätte. Zwar gebe es Hinweise auf ein Fehlverhalten, doch gelte Kohl nach der Menschenrechtskonvention als unschuldig, so eine Sprecherin gestern. Kohl hatte selbst beteuert, das Geld nie zweckentfremdet zu haben. Dies würdigte gestern das Gericht ebenso wie den Umstand, dass Kohl mit einer nachträglichen Spendensammlung den Schaden wiedergutgemacht hatte.

Als weiteren Milderungsgrund nannte die Sprecherin des Gerichts neben den Verdiensten Kohls auch die persönlich herabwürdigenden Angriffe in den Medien gegen ihn. Sie verwahrte sich allerdings gegen den Eindruck, es habe politischen Druck auf das Gericht gegeben. Die Entscheidung sei ohne Ansehen der Person gefallen. In Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen sei die Einstellung von Ermittlungen gegen Zahlen einer Geldbuße ein durchaus gängiges Verfahren.

Wegen der 2,1 Millionen Mark war die Bundes-CDU vom Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse mit einer Geldstrafe von 6 Millionen Mark belegt worden. Daraufhin hatte Kohl selbst Geld aus seinem eigenen Vermögen aufgebracht und bei Unterstützern um Spenden gebeten – insgesamt kamen so rund 8 Millionen Mark zusammen.

Erfreut über den Ausgang des Verfahrens zeigte sich gestern die Union. Deren Fraktionschef Friedrich Merz sah mit der Entscheidung den Versuch des politischen Gegners gescheitert, den Exkanzler „zu kriminalisieren“. Kohls Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner betonte, sein Mandant sei mit der Einstellung nicht vorbestraft und gelte als „unschuldig“, auch sei die Zahlungsauflage kein „Schuldeingeständnis“. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering erklärte jedoch, die Entscheidung des Gerichts ändere nichts an der moralischen Schuld Kohls.

Müntefering forderte den Exkanzler auf, endlich die Namen der Spender zu nennen, „wenn es sie denn gibt“. In den letzten Monaten waren immer wieder Zweifel an Kohls Version aufgekommen, mit seinem Schweigen wolle er Schaden von den Geldgebern abwenden. Ob Kohl überhaupt bereit ist, vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages die angeblichen Spender zu nennen, ist ungewiss. Zunächst bleibt ihm eine Schonfrist. Während der drei Monate, in der er das Bußgeld zu zahlen hat, kann Kohl seine Aussage noch verweigern. Danach wird der Spendenausschuss aller Voraussicht nach Kohl erneut laden. Vor kurzem hatte der Grünen-Obmann Christian Ströbele dem Exkanzler im Falle einer erneuten Weigerung mit Zwangsgeld und Beugehaft gedroht.