Nass statt feuchtfröhlich

Eine Buchhändlerin, die zuletzt im Haus der Demokratie ein Antiquariat betrieb, wurde mit einem attraktiven Standort in Spreenähe gelockt. Nun prüft das Gericht, ob „arglistige Täuschung“ vorliegt

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Feuchtigkeit ist für Buchhändler der Horror schlechthin. Kein Vertreter dieser Berufsgruppe würde sich einen Standort suchen, wo seiner Ware Stockflecken und verzogene Buchrücken drohen. Trotzdem wollte sich eine erfahrene Antiquarin an einem ebensolchen Ort niederlassen. Der Grund: Sie wusste nichts von der Feuchtigkeit. Deshalb wird sich heute das Landgericht in Charlottenburg in einem Zivilrechtsstreit damit beschäftigen, ob sie vom Besitzer des Hauses – eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes am Schiffbauerdamm – arglistig getäuscht wurde.

Die Antiquarin Ingrid Blankenburger, die bis zum Mauerfall in einer der besten „Volksbuchhandlungen“ Ostberlins arbeitete und dann das Geschäft, wenn auch viel kleiner, im Haus der Demokratie bis zum Oktober 1999 weiterführte, fühlt sich hinters Licht geführt. Im Sommer 1999 hatte sie in einer Anzeige von einem „attraktiven“ Laden von etwa 50 Quadratmetern in der Nähe vom Bahnhof Friedrichstraße gelesen. Der Besitzer beschrieb ihn zwar als geeignet für ein Frisörgeschäft oder einen Coffee-Shop. Als sie sich aber bewarb, zeigten sich seine Mitarbeiter begeistert von der Idee, inmitten der vielen gastronomischen Einrichtungen an der Spree ein Antiquariat zu etablieren. Obwohl die 59-jährige Buchhändlerin den Teil des Ladens, der im Souterrain liegt und den sie als Lager für ihre wertvollen Bücher und Stiche nutzen wollte, wegen der defekten Elektrik nicht richtig in Augenschein nehmen konnte, unterschrieb sie den Vertrag. Der Grund: die Zusicherung, der Laden sei bestens geeignet für ein Antiquariat.

Doch kaum hatte sie die Elektrik repariert, wozu sie sich vertraglich verpflichtet hatte, stellte sie mit Schrecken fest, dass das Souterrain feucht war. Durch Ausschwefelungen „blühten“ die Wände geradezu. Kaum hatte sie sich von ihrem Schrecken erholt, ereilte sie die nächste Hiobsbotschaft. Bei Durchsicht des unterschriebenen Vertrags stieß sie auf eine „Zusatzvereinbarung“, die nach ihren Angaben im Vertragsentwurf nicht enthalten war. Darin heißt es: „Dem Mieter ist bekannt, dass die Kellerbereiche durch die unmittelbare Nähe zur Spree feuchtigkeitsgefährdet sind. Er wird alles unternehmen, um Schäden an seinem Eigentum zu vermeiden, und entsprechende Vorkehrung (vorbeugend hohe Lagerung) treffen.“

„Es geht hier um arglistige Täuschung“, sagt dieAnwältin der Buchhändlerin, Ina Geithner. „Diese Klausel war vorher nicht zur Einsicht gegeben.“ Das mache den Vertrag nichtig. Ihrer Mandantin, die den Laden wegen der Feuchtigkeit gar nicht erst bezogen hat, wurde nach Angaben von Ina Geithner angeboten, aus dem Mietvertrag auszusteigen. Unter einer Bedingung: Wenn sie einen anderen Antiquar als Nachmieter bringe. Ihrer Anwältin ist bekannt, dass auch die Vormieterin – eine Frisöse – wegen Nässe ausgezogen war. Weil Ingrid Blankenburger selbstredend keinem Berufskollegen ein feuchtes Souterrain als idealen Lagerraum andiente, fordert der ehemalige Vermieter mehrere Monatsmieten von ihr.

Im März vergangenen Jahres fand Blankenburger schließlich in der Albrechtstraße geeignete Räume. Doch auch der Neubeginn fiel – zumindest teilweise – ins Wasser. Als sie ihre Bücher aus der Zwischenlagerung holen wollte, waren 17 von insgesamt 100 Kisten spurlos verschwunden. Verlust: 50.000 Mark.