Dämpfer für Schweizer EUphorie

Bei einer Volksabstimmung votiert eine große Mehrheit gegen sofortige Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Vertreter der Initiative sprechen von erfolgreicher Angstkampagne der Gegner

BERN epd/afp ■ Die Schweizer Wähler haben gestern sofortige Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union deutlicher als erwartet abgelehnt. Laut Hochrechnungen des Schweizer Rundfunks am Nachmittag fand die Initiative der „Neuen Europäischen Bewegung Schweiz“ nur 22 Prozent Befürworter. Sie hatte einen Verfassungszusatz verlangt, nach dem die Regierung „ohne Verzug Verhandlungen mit Brüssel“ aufnehmen sollte.

Selbst im traditionell europafreundlichen Kanton Genf sprachen sich nach Auszählung des größten Teils der Stimmen 58 Prozent der Stimmberechtigten gegen die Volksinitiative „Ja zu Europa“ aus, im Kanton Jura waren 56 Prozent dagegen. Aus Deutschschweizer Kantonen wurden mehr als 80 Prozent Nein-Stimmen gemeldet, zum Beispiel Glarus mit 87 Prozent und Uri mit 90 Prozent. Damit zeige sich erneut ein „Graben“ im Abstimmungsverhalten zwischen der Westschweiz und der deutschsprachigen Region, hieß es in ersten Kommentaren.

Die Regierung hatte die Initiative als verfrüht abgelehnt und eine Entscheidung über Beitrittsverhandlungen zwischen 2004 und 2007 in Aussicht gestellt. Vertreter der Initiative sprachen von einer klaren Niederlage. Die Gegner hätten mit ihrer „Angstkampagne“ Erfolg gehabt. Unklar sei, wie die Regierung nun zwischen „echten“ Nein-Stimmen und „Nein, aber . . .“-Stimmen unterscheiden wolle, sagte die Vertreterin der Initiative, Anne-Catherine Nyon, im französischsprachigen Fernsehsender TSR1. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei hatte die Europa-Befürworter besonders intensiv bekämpft. Aber auch die Freisinnig-Demokratische Partei war mehrheitlich dagegen, während sich die Sozialdemokraten und die Christlich-Demokratische Volkspartei dafür ausgesprochen hatten. Die vier Parteien bilden die Schweizer Regierung. Zu den Gegnern der Initiative zählen auch die Wirtschaft und die Banken. Bereits 1992 hatten die Schweizer Wähler einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt.

Gleichzeitig mit der Europa-Initiative konnten die 4,8 Millionen Stimmberechtigten über kommunale und kantonale sowie zwei weitere landesweite Vorlagen abstimmen. Sowohl eine Initiative für Tempo 30 in allen Ortsstraßen als auch ein Vorstoß für niedrigere Arzneimittelpreise wurden verworfen.