Argentiniens Präsident startet durch

Nach dem Rücktritt aller Minister soll jetzt ein neues Kabinett das Land aus der schweren Wirtschaftskrise führen. Dauerhafte Rezession und hohe Auslandsverschuldung lassen keine Hoffnung keimen

BUENOS AIRES taz ■ Es war ein aufreibendes Wochenende für den argentinischen Präsidenten Fernando De la Rúa. Am Freitag trat sein Wirtschaftsminister José Luis Machinea zurück – immerhin erst abends, um eine hysterische Reaktion der Finanzmärkte zu vermeiden. Die Spekulationen um einen Nachfolger nahmen am Samstag kein Ende, bis De la Rúa am Abend die Notbremse zog: Er bat sämtliche Mitglieder seines Kabinetts, es Machinea gleichzutun. Diese folgten und reichten alle ihren Rücktritt ein. Aber nur symbolisch, denn De la Rúa will nur einige Minister loswerden, heißt es.

Der glücklose De la Rúa versucht einen Neustart seiner Regierung. Wie argentinische Zeitungen gestern berichteten, sähe er den jetzigen Verteidigungsminister Ricardo López Murphey gerne im Wirtschaftsministerium. López Murphey war schon lange in Wartestellung für dieses Amt, der liberale Ökonom galt als De la Rúas Notanker für diesen Posten. Ihm als Zentralbankpräsident beiseite stellen möchte De la Rúa angeblich Domingo Cavallo, den Vater der argentinischen Peso-Dollar-Parität. Mit diesem neoliberalen Doppel soll der von De la Rúa propagierte „Vertrauensschock“ endlich klappen. Allein die Kandidaten zieren sich noch, ihre Zusage stand bis gestern Nachmittag noch aus.

Auf beide käme ein schwieriger Job zu. Seit über zwei Jahren steckt Argentinien in einer Rezession, ohne Aussicht auf Besserung. Das Land hat über 200 Milliarden Dollar Außenschulden und stand Ende vergangenen Jahres kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) eilig zusammengeschnürtes Notpaket sicherte den Geldfluss Argentiniens an die Gläubigerbanken.

Auch dieses Geld dürfte spätestens bis Jahresende aufgebraucht sein. Seit Brasilien, Argentiniens wichtigster Handelspartner, 1998 seine Währung abwerten musste, verteuerten sich Argentiniens Exporte ins Nachbarland. Der argentinische Peso ist seit 1992 eins zu eins an den Dollar gekoppelt und komplett überbewertet. Aber die Angst vor Inflation und der hohe Dollar-anteil an der Auslandsschuld erlauben keine Abwertung.

De la Rúa steckt in der Sackgasse, und sein Vorgänger Carlos Menem steht in den Startlöchern. Regelmäßig stichelt er gegen De la Rúa und träumt von einem Comeback bei den nächsten Wahlen. Doch es ist De la Rúas konzeptlose Politik, die Menem den Weg ebnet, der die Staatsverschuldung verantworten muss. Und so klingt der Titel des Nachrichtenmagazins Noticas fast prophetisch: „Alle Wege führen zu Menem.“ INGO MALCHER