Madrigal im ultrakurzen Minikleid

■ Die Oper „acqua acqua acqua acqua“ mixt Barock und Moderne

Mein erster Opernbesuch war traumatisch. Es gab Richard Wagners Frau ohne Schatten, und ich konnte auf meinem billigen Platz nur per Kopfverrenken auf ein paar Quadratmeter Bühne sehen, wo eine schrill singende Frau im schwarzen Gewand unmotiviert hin und her lief. Ich hätte schreien können vor Langeweile. Noch Jahre später befiel mich in der Oper stets eine bleierne Müdigkeit.

Keine Spur von Augenschwere bei der Barockoper acqua acqua acqua acqua auf Kampnagel. Ich hätte singen können vor Lust. Dank sei der freien Hamburger Musiktheatergruppe opera silens, die aus Monteverdis achtem Madrigalbuch vom Krieg und von der Liebe ein höchst unterhaltsames Singspiel gemacht hat. Zu hören gibt es nicht nur feierliche und fröhliche Barockmusik aus dem Jahr 1638, sondern behutsam darunter gemischte moderne Klänge von E-Bass, Geige und Sampler. Und zu sehen gibt es von jedem Platz aus Musiker und Sänger, die sich inmitten einer phantastischen Licht- und Wasser-installation phantasievoll bewegen.

Eine Ouvertüre der besonderen Art steht am Anfang: Wer rechtzeitig vor k6 Schlange steht und mit einer der ersten Zuschauergruppen von zwei Frauen im ultrakurzen Minikleid und Pagenkopfperücke auf ein Podest geführt wird, hat die Chance, zehnmal dasselbe kurze Duett zu hören – und in Ruhe die lang gestreckte Bühne mit Dutzenden von blinkenden Lampen und beleuchteten Wasserspielen und angestrahlten Ventilatoren zu betrachten. Zwischendurch sitzen die Sopranistinnen wie festgefroren auf Barhockern, um für die nächste Zuschauergruppe wieder aufzuspringen. Eine Ouvertüre, die wesentliche Elemente dieser originellen Inszenierung vorwegnimmt: Wiederholungen und statische Bewegungsmuster spiegeln die ritualisierte Struktur der Barockmusik – der sich diese Aufführung immer wieder entzieht.

Eine Handlung gibt es nicht, nur Emotionen, die vom Krieg und von der Liebe erzählen. Dass diese Gefühle zeitlos sind, beweist acqua acqua acqua acqua vor allem in musikalischer Hinsicht. Die barocke Vokalmusik harmonisiert mit instrumentalen Verfremdungen. Auch die Kostüme passen in ihrem Mix aus Sixties-Look, Barockgewändern und Rokokoelementen zum grenzüberschreitenden Konzept.

Doch warum hat sich der Bass einen umgedrehten Eimer mit aufgeklebter Troddel auf den Kopf gestülpt? Und warum trägt eine Darstellerin in Mini und Highheels leere Plexiglasbehälter mal mit wütendem, dann wieder ängstlichem Gesicht unmotiviert hin und her? Das erinnert dann doch an längst vergangene Operntage. Aber nur für ein paar Sekunden. Karin Liebe

Weitere Vorstellungen auf k6: 7., 9.,10.,11.,14.,16. und 17. März, jeweils 20 Uhr