„Wir springen nicht über jedes Stöckchen“

■ Die Rote Flora lehnt das Kaufangebot der Galeristin Gerda Basse ab. Die wollte schon vor ein paar Jahren in dem Haus Manager schulen. FloristInnen möchten weitermachen wie bisher

taz: Kaum hattet Ihr den Vertrag mit der Stadt abgelehnt, wurde das Kaufangebot von Gerda Basse publik. Ist das die Wahl zwischen Pest und Cholera, oder könnte der Verkauf an eine private Investorin eine Perspektive für die Flora sein?

Alexander: Die leidige Diskussion um Privatisierung und Verträge läuft an der Realität der Flora vorbei. Seit über elf Jahren haben wir eine funktionierende Struktur: Ohne Verträge, Bezahlung und Hierarchie. Im Moment sollen wir plötzlich zu lauter Konstrukten etwas sagen, die überhaupt nichts mit dem praktischen Alltag im Haus zu tun haben. Wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, das uns hingehalten wird.

Das Kaufinteresse von Gerda Basse scheint nicht irgendein Stöckchen, sondern relativ konkret zu sein. Der Senat hat angekündigt, Ende März darüber zu entscheiden.

Alexander: Wir möchten uns nicht an Spekulationen über Lösungen beteiligen, die für uns keine sind. Obwohl wir zu Basse konkret etwas sagen können.

Kennt ihr Basses Konzept?

Babsi: Es wird das gleiche wie vor zwei Jahren sein.

Damals habt ihr mit ihr an einem Tisch gesessen. Woran ist das Gespräch gescheitert?

Babsi: Es hat sich herausgestellt, dass ihre Pläne überhaupt nicht kompatibel mit der Flora waren. Sie wollte das Gebäude aufstocken und eine Umweltakademie und ein berufliches Fortbildungszentrum einrichten. Sie sagte, dass sie dort Manager schulen will. Sie wollte uns einerseits nicht beschneiden, andererseits aber zum Beispiel ein Café in der Flora eröffnen. Es ging darum, die Flora teilweise zu kommerzialisieren. Sie hätte nichts dagegen gehabt, dass wir weiter ehrenamtlich arbeiten, hätte aber auch bezahlte Stellen eingeführt. Außerdem wollte sie im ersten Stock eine Galerie eröffnen. Man kann keine eigenen Veranstaltungen machen, wenn wertvolle Kunstgegenstände rumstehen.

Da Ihr mit Ihr gesprochen habt, ist die Idee eines privaten Verkaufs für euch grundsätzlich denkbar?

Johannes: Auf das Gespräch hatten wir uns notgedrungen eingelassen, um ihr rüberzubringen, dass es gemeinsam nicht funktionieren wird. Das hat sie damals akzeptiert. Zumindest hat sie den Eindruck erweckt, dass es für sie so in Ordnung ist. Offenbar war es doch anders. Sie hat weiter verhandelt.

Alexander: Die Situation ist wie im Würgegriff der herzlichen Umarmung. Frau Basse hat in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass es bereits einen Konsens mit der Flora geben würde.

Wenn sie in den kommenden Tagen an euch herantritt: Werdet ihr mit ihr sprechen?

Alexander: Sie weiß ja, wie wir über ihre Projektidee denken. Das haben wir ihr damals deutlich mitgeteilt.

Vielleicht hat sie ein neues Konzept.

Babsi: Das kann ich mir nicht vorstellen. Und wenn, wäre auch das sicher nicht kompatibel. Sie wird da ihre eigenen Ideen dran knüpfen. Außerdem hat sie ohnehin den falschen Weg beschritten. Wenn Du Räume in der Flora haben willst, gehst Du zur Vollversammlung und stellst Dich vor. Würde sie es ernst mit uns meinen, hätte sie es so gemacht.

Johannes: Auch der Altonaer Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer tut, als wäre da was Gemeinsames möglich, obwohl er die Geschichte mit Basse von damals kennt.

Für die Stadt könnte der Verkauf ein guter Schachzug sein.

Alexander: Zum Schachspielen gehören immer zwei. Im Moment spielt die Stadt Fernschach, weil wir bisher noch nicht nach unseren Zügen gefragt worden sind.

Hornauer hat gesagt, dass die Stadt die Eigentümerin nach dem Kauf der Flora nicht damit alleine lassen wird. Er hofft auf ein Einverständnis der Flora. Kann er das vergessen?

Alexander: Ja.

Mit der strikten Ablehnung setzt Ihr die Zukunft der Flora aufs Spiel. Ist es euch das wert?

Babsi: Das war ein halbes Jahr Diskussion. Wir sind uns bewusst, dass es im Endeffekt auf eine Räumung hinauslaufen kann. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass uns der politische Ausdruck wichtiger ist. Der Vertrag mit der Stadt sollte ein Befriedungsversuch sein, und dazu haben wir gesagt: Da spielen wir nicht mit.

Alexander: Der Basse-Vorschlag zeigt auch im Nachhinein, dass unsere Entscheidung, die Flo-ra aufs Spiel zu setzen, richtig ist. Man kann sie verlieren, indem sie geräumt wird. Man kann sie aber auch als politisches Projekt verlieren, indem man sie in einem privaten Konzept bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Es stimmt auch nicht, dass mit der Ablehnung von Verträgen oder Verkauf das Ende der Flo-ra erreicht sein soll. Die elf Jahre sind das praktische Dementi dieser Behauptung. Die Stadt konnte bisher blendend mit dem Zustand leben. Wenn jetzt das Ende der Flora besiegelt ist, ist das die Entscheidung der Stadt, nicht unsere.

Könnte es eine ganz andere Lösung für die Flora geben, zum Beispiel eine Genossenschaft?

Babsi: Ich verstehe nicht, wieso wir uns ständig mit irgendwelchen Modellen herumärgern müssen. Wir haben eine Position vertreten, und die steht.

Vor acht Jahren hattet ihr noch mit der Stadt verhandelt. Was hat sich seither verändert, dass Ihr es heute nicht mehr tut?

Alexander: Damals war die Stimmung in der Flora eine andere. Es war vorstellbar, dass man sich in Verträgen auch mit eigenen Vorstellungen durchsetzen kann. Jetzt ging es elf Jahre auch ohne vertragliche Absicherung. Und das Schanzenviertel des Jahres 2001 ist auch nicht mehr das Schanzenviertel des Jahres 1992.

Was hat das mit Verträgen zu tun?

Alexander:Der Stadtteil hat sich sehr verändert: Verarmung und Verelendung ist viel sichtbarer geworden, zum Sündenbock wird die Drogenszene erklärt. Parallel werden in sozialen Projekten Stellen gestrichen. Das sind die Vorzeichen, unter denen die Verhandlungen stehen. Wir können nicht auf der einen Seite gegen staatlich verantwortete Politik agitieren und auf der anderen Seite, wenn die Flora auf der Tagesordnung steht, plötzlich so tun, als wenn es einvernehmliche Lösungen geben kann. Es ist auch ein grundsätzliches politisches Signal, das wir mit der Ablehnung der Verhandlungen setzen wollen.

In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, dass Ihr einfach nicht 1000 Mark Miete im Monat zahlen wollt.

Johannes. Quatsch. Es geht nicht um die Höhe von Mietzahlung oder um irgendwelche Klauseln. Auf der Tagesordnung steht ein Angriff auf die politischen Strukturen der Flora und das Mittel dazu ist die Vertragsdiskussion. Wir werden uns aber nicht einbinden lassen und an der Aufwertung des Viertels beteiligen.

Zum Schluss: Wie wird es nach eurem klaren Nein jetzt weitergehen?

Babsi: Wir werden weitermachen wie bisher.

Interview: Elke Spanner