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■ Blaumeiers „Gummiband“ macht „flexible Musik mit ordentlich Watt“. Jetzt ließ sie auf Malle die Puppen tanzen

„In den Fa-Shampooflaschen auf Mallorca sind 50 Milliliter weniger drin als hier“, stellt Sängerin Sandra fachkundig fest. Die anderen Bandmitglieder verdrehen die Augen und grinsen still vor sich hin. Da sitzt es, das Gummiband, nein, DIE Gummi-Bänd, am langen Kaffeetisch, mampft Kuchen, guckt Fotos und erholt sich von ihrer sechstägigen Mallorca-Tournee. Braun gebrannt ist keiner von ihnen, denn neben Auftritten, Proben und Einladungen blieb kaum Zeit für ausgiebiges Sonnenbaden. Sie sind keine normale Band, eher eine schräge Kombo von acht Leuten, entstanden aus einem Musikprojekt im Bremer Blaumeier-Atelier. Aber was ist schon normal.

Uwe Kreutzkamp, Mitarbeiter beim Blaumeier-Projekt Kunst und Psychiatrie, erzählt: „Der Vorläufer war unsere Mitarbeiterband. Wir haben irgendwann Leute aus unseren Kursen angesprochen, von denen wir dachten, dass sie Interesse haben könnten.“ Die Geburtsstunde der „Gummiband“, Untertitel: „Flexible Musik mit ordentlich Watt.“ „Die erste Bandprobe war am 8. Februar 1996“, berichtet Sandra, die Sängerin mit Computer-Hirn.

Die Gummi-Rockband covert seitdem altbewährte Lieder mit eigener Note. Von „Gimme hope Joanna“ bis „I feel good“. Die meisten Vorschläge für das Repertoire kamen von Rockröhre Till. Till ist 32 und seit Anbeginn Frontsänger bei der Gummi-Band. Er kann kein Wort Englisch, aber das macht nichts. „Till hört ein Lied im Radio und singt es nach, in allen Sprachen der Welt“, so Blaumeier-Mitarbeiterin Hellena Harttung. Obwohl ein Engländer oder Amerikaner wohl nur doppelte Lautverschiebung und nicht einmal Bahnhof verstehen würde, unterscheidet sich die „Gummiband“-Version von „Satisfaction“ kaum vom Rolling Stone'schen Original. Aber auch Till hat seine Starallüren. Wenn er nicht will, dann will er eben nicht, schmollt, verschränkt die Arme, und die Band muss schon mal ohne Gesang rocken. Basta.

Den Blaumeiers ist Alter, Krankheit, Lebenslauf und Augenfarbe egal. Mitmachen können Künstler und Laien, Anwälte und Nicht-Anwälte, psychiatrisierte und psychisch gekränkte Menschen. So steht es im Prospekt geschrieben. Die „Gummiband“ des Ateliers ist schon weit über die Grenzen Norddeutschlands hinaus berühmt. Es gab Auftritte in Freiburg, Braunschweig, Kiel und beim Katholikentag in Mainz. „Wir haben dort die Katholiken echt zum Tanzen gebracht.“ Und darauf sind sie stolz. Die Mallorquiner haben in der vorletzten Woche auch getanzt. Allerdings kommt spanisches Blut auch leichter in Wallung als urkatholisches.

Die Einladung nach Mallorca kam von der Associació Es Garrover, dem spanischen Pendant des Blaumeier-Atelier. Auch Es Garrover kämpft gegen die bloße Verwahrung geistig Behinderter in Langzeitkliniken. Im Rahmen eines Festivals für die gemeinsame kreative Arbeit von geistig Behinderten und vermeintlich Normalen zogen die Blaumeiers zusammen mit einer italienischen und einer mallorquinischen Gruppe durch die Straßen von Palma und Inca. Mit knackiger Musik versteht sich.

Absoluter Höhepunkt war dann das „Gummiband“-Konzert vor 200 ausgeflippten Fans. Mit Lichteffekt und Nebelmaschine. „Die Leute waren völlig aus dem Häuschen. Die haben sogar eine Polonaise gemacht“, erinnert sich Helllena Harttung.

Mallorca war ein Abenteuer, vor allem weil die Hälfte der Band vorher noch nie in einem Flugzeug gesessen hat. Gitarristin Petra zum Beispiel hat „alle möglichen Leute gefragt, wie das so ist beim Start und bei der Landung“. Sänger Till fand dagegen die Treppe an seinem Appartement mit Meerblick entschaieden zu waghalsig. Schlagzeuger Olli fand die Kneipentouren am besten. Und Sandra war so begeistert von der nach tagelanger Suche entdeckten Schlecker-Filiale, dass sie im Herbst gleich wieder nach Mallorca fliegen will.

Und die Blaumeier-Mitarbeiter? „Einfach toll“, fanden auch die den Balearen-Trip. Außer vielleicht, na ja, „Sandras Drogeriebedürfnis war eher anstrengend“. Susanne Polig

Wer sie mal live erleben will: Die Gummibänder rocken am 5. Mai beim Europatag in Bremen.