Finanzieller Maulkorb für die freie Presse

Umgerechnet 150.000 Mark für eine treffende Karikatur – als Strafe: Das Regime in Algerien zieht die Zensurzügel an

ALGIER/MADRID taz ■ Algeriens Justizminister Ahmed Ouyahia hat es auf die Presse abgesehen. Im Rahmen einer Justizreform will er „die Institutionen und die Sicherheitskräfte vor Beleidigung und Diffamierungen schützen“. All diejenigen Personen, „die den Staatspräsidenten beleidigen, diffamieren oder verunglimpfen“, sollen laut dem neu eingeführten Tatbestand mit einer Haftstrafe zwischen ein bis drei Jahre und einer Geldbuße von umgerechnet 3.000 bis 30.000 Mark belegt werden.

Das Gleiche gilt laut dem vom Ministerrat bereits angenommen neuen Artikel 144 des Strafgesetzbuches auch für „Beleidigungen des Parlaments, einer seiner beiden Kammern oder der Nationalen Volksarmee“.

Ein Journalist verdient zwischen 300 und 500 Mark monatliche. Kontrolliert werden sollen nicht nur Zeitungsartikel, sondern auch Karikaturen sowie Äußerungen im Internet. Außer gegen den verantwortlichen Journalisten richtet sich die neue Vorschrift auch gegen die verantwortlichen Redakteure und Herausgeber sowie „gegen die Publikation als solche“.

Hier ist eine Geldstrafe von bis zu 5 Millionen Dinar (150.000 Mark) vorgesehen. Algiers Presse befürchtet allerdings, dass mittels dieses Paragrafen künftig ein Erscheinungsverbot verhängt werden soll. Neben den Journalisten bedenkt Ouyahia auch die Prediger in den Moscheen mit seinem neuen Gesetz. Auch sie sollen künftig auf ihre Ausdrucksweise hin begutachtet werden.

Die Reform des Strafgesetzbuches ist der härteste Eingriff in die Pressefreiheit seit der Zulassung der Pressevielfalt 1989. Der seit zwei Jahren amtierende Präsident Abdelasis Bouteflika hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit den Journalisten unabhängiger Medien angelegt. Dabei beleidigte er sie unter anderem als „Masseusen aus dem Dampfbad“.

Sollte der Artikel 144 in Kraft treten, beträfe er vor allem die algerischen Karikaturisten. Sie nehmen fast täglich die übermächtigen Generäle sowie den Staatspräsidenten und die Korruption auf die Schippe.

Einen ersten Prozess zur Verteidigung der Ehre der algerischen Armee hat Justizminister Ouyahia bereits angekündigt. Er will den in Paris lebenden Exoffizier der Spezialeinheiten Habib Souaidia aburteilen lassen.

Der hatte vor wenigen Wochen ein Buch mit dem Titel „La sale guerre“ („Der schmutzige Krieg“) veröffentlicht, in dem er über seine Erfahrung bei der Terrorbekämpfung berichtet. Souaidia wirft der Armee vor, selbst für systematische Folter, Massenhinrichtungen und Massaker an der Zivilbevölkerung verantwortlich zu sein.

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