Bald kommen Bäume aus der Steckdose

Schwäbisch Hall baut ein Holzgaskraftwerk, das auf neuem Verfahren basiert. 86 Prozent der Holzenergie nutzbar

FREIBURG taz ■ Noch in diesem Jahr werden die Stadtwerke im baden-württembergischen Schwäbisch Hall mit dem Bau eines Holzgaskraftwerkes beginnen – dem ersten weltweit, das ein neues Verfahren der Holzvergasung kommerziell nutzen wird. Mit der Pilotanlage könnte eine neue Ära der Stromerzeugung mit Holz beginnen, nachdem bisherige Holzvergaser aufgrund von Problemen mit Teerbildung allesamt als Industrieruinen endeten.

Zwar sind auch andere Verfahren der Stromerzeugung mittels Holzverbrennung längst bekannt – etwa die Dampfturbine, die per Holzfeuerung betrieben werden kann. Doch die Stromausbeute ist längst nicht so hoch wie bei der Holzvergasung. Eine Versuchsanlage des neuen Typs mit einer thermischen Leistung von einem Megawatt steht bereits im sächsischen Freiberg. Die dort entwickelte so genannte Carbo-V-Technik basiert auf einem zweistufigen Vergasungsverfahren. „Dieses stellt sicher, dass es zu keinerlei Teerbildung kommt“, sagt Johannes van Bergen, Stadtwerke-Chef in Schwäbisch Hall. Das Holzgas entsteht bei 1.500 Grad, verfügt über einen Anteil von etwa 20 Prozent Wasserstoff und einen hohen Kohlenstoffgehalt. In einem Gasmotor wird es anschließend verbrannt.

Die Pilotanlage von Schwäbisch Hall wird etwa 30 Millionen Mark kosten. Einen Teil davon wird der Stadtwerke-Chef aus Zuschüssen des Bundeslandwirtschaftsministeriums decken können. Die entstehende Wärme wird Schwäbisch Hall komplett nutzen können, das Verhältnis von Strom- zu Wärmeertrag wird bei der geplanten Anlage sehr günstig sein: Der elektrische Wirkungsgrad liegt mit 38 Prozent ausgesprochen hoch, der thermische erreicht weitere 48 Prozent. Insgesamt lassen sich somit 86 Prozent der Energie des Holzes nutzen – ein grandios guter Wert. Die Anlage werde täglich 100 Tonnen Holz verfeuern, sagt van Bergen. Dieses werde aus einem Umkreis von 30 Kilometern nach Schwäbisch Hall angeliefert.

Nach einer Bauzeit von anderthalb Jahren soll das Kraftwerk Anfang 2003 ans Netz gehen. Sodann wollen andere Investoren dem Beispiel folgen: Allein in Nordrhein-Westfalen sind 15 Anlagen geplant, nachdem dort die rot-grüne Landesregierung die Technologie als interessante Alternative für ehemalige Standorte fossiler Kraftwerke erkannt hat. Bundesweit, schätzt van Bergen, liege das Potential bei etwa 100 Anlagen mit jeweils 5 Megawatt elektrischer Leistung. BERNWARD JANZING