Sowjetschulden gegen Aktien

Deutsche Unternehmen sollen für den russischen Staat alte Verbindlichkeiten mit der deutschen Regierung begleichen und im Gegenzug an russischen Firmen beteiligt werden. Nun wuchern Gerüchte, sogar Königsberg solle verkauft werden

von BARBARA KERNECK

Da ist er wieder, der lange Schatten des sozialistischen Wirtschaftssystems: Am Wochenende verhandelten in Berlin Unterhändler der Bundesrepublik und Russlands mit Vertretern der deutschen Wirtschaft wieder einmal über die Rückzahlung russischer Staatsschulden. Es geht dabei um einen so genannten Debt-Equity-Swap, was übersetzt Schuld-gegen-Aktien-Tausch bedeutet.

Der russische Staat will Außenstände mit Aktienbeteiligungen am Grundkapital russischer Firmen abgelten. Diese werden deutschen Firmen angeboten, die den Kaufpreis dafür direkt an die deutsche Regierung überweisen sollen. Die zöge diese Einnahmen dann vom russischen Schuldenstand ab. Zur Debatte stehen hier ausschließlich Schulden der Außenhandelsorganisationen der UdSSR gegenüber der Ex-DDR. Sie belaufen sich insgesamt auf 6,4 Milliarden Transferrubel, wobei es bei den Swaps nur um einen Teil davon gehen soll.

Der Transferrubel ist eine virtuelle Währung. Während Russland selbst den Transferrubel gegenüber seinen Handelsschuldnern, wie Kuba und Vietnam, mit einem Dollar angesetzt hat, bezeichnet es diesen Kurs diesmal als übertrieben, da die DDR ihre Preise künstlich hoch gehalten habe. Immerhin: Während das russische Finanzministerium sonst die Außenstände aus der Sowjetzeit gern als Schulden zweiter Klasse behandelt und eher auf Erlass drängt, hat es in diesem Falle versprochen, seine Verpflichtungen in vollem Umfang zu erfüllen. Gleichzeitig machte Moskau gutes Wetter für diese Verhandlungen, indem die Regierung letzte Woche das Parlament dazu brachte, die im Staatshaushalt bisher nicht vorgesehene fällige Rate für den Pariser Klub nachträglich zu berücksichtigen. Innerhalb dieser Vereinigung seiner westlichen Gläubigerstaaten schuldet Russland nämlich am meisten Deutschland: 57 von insgesamt 117 Milliarden Mark.

So ermutigt, geben sich Vertreter der deutschen Wirtschaft optimistisch. Bis zum nächsten Gipfeltreffen zwischen Putin und Schröder am 9. April in Sankt Petersburg sollen zwei bis drei Debt-Equity-Pilotprojekte stehen. Bereit, dem deutschen Staat einen Teil der UdSSR-Schulden zurückzuzahlen, ist die deutsche Tochterfirma von Ikea. Das Möbelhaus schielt auf die riesigen russischen Waldreserven. Gegenüber der taz gestand ein Vertreter des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, der anonym bleiben wollte, dass deren Überlegungen bereits über das Feilschen um bestimmte Aktien hinausgingen: „Wir sind nicht darauf aus, ein Schnäppchen zu machen, sondern bereit, marktübliche Preise für Investitionen zu zahlen, wenn sich Genehmigungsverfahren verkürzen und andere bürokratische Hindernisse für deutsche Investoren in Russland aus dem Weg räumen ließen.“ Laut dieser Quelle würden deutsche Firmen gern auch Grund und Boden und gewisse Infrastrukturen als Vorleistung für deutsche Investitionen mit Schuldenrückzahlungen vergelten.

Wilde Gerüchte in der russischen Emigrantenpresse im Westen, die deutsche Wirtschaft wolle die im Zweiten Weltkrieg verlorenen Stadt Kaliningrad (Königsberg) zurückkaufen, werden durch solche Aussagen nicht bestätigt, aber verständlicher. Die deutsche Wirtschaft will sich offenbar einen bestimmten politischen Kurs der russischen Regierung sichern. Der ungewöhnliche Deal heizt weltweit Fantasien an. Letzte Woche schlugen Sprecher des World Wildlife Fund in Moskau allen Ernstes einen Debt-Tiger-Swap vor: Westliche Staaten sollten Russland weitere Schulden gegen eine Verbesserung der Lebensbedingungen der sibirischen Tiger erlassen.