Brutale Gesetze hübsch verpackt

■ Nach Tournee-Absage: „Musica della Mafia“ – vorerst doch nur auf CD

Das Schweigen ist Befehl. Das Schweigen darf keinesfalls gebrochen werden. Der Tod ist die sichere Strafe. „Omertá, Omertá. Das ist das Gesetz der Gesellschaft. Gesetze, die dem nicht vergeben, der sie verrät.“ Das Gesetz kommt freundlich verpackt daher. Der Refrain animiert zum Mitsingen, dazu braucht es nicht mal eingehender Sprachkenntnisse in Italienisch: „Omertá, Omertá“. Aber das Gesetz ist brutal und auch das können wir, wenn wir wollen, mitsingen: „Während die abgesägte Schrotflinte singt, schreit und stirbt der Verräter.“

„Musica della Mafia“, Mafia-Musik, das verspricht Aufmerksamkeit. Das klingt nach Gangsterism al Italiano. Mafia ist seit langem eingeschrieben in das Repertoire der großen Erzählstoffe. Romane, Filme, Boulevardjournalismus, Legitimation zur Aufrüstung staatlicher Sicherheitsapparate – der Stoff lässt sich vielfach variieren. Das alles ist Mafia, und gleichzeitig ist oder war Mafia eine soziale Struktur, die in weiten Teilen Süditaliens den Alltag bestimmte. Weit mehr als hundert Jahre waren die Mafia in Sizilien, die 'Ndrangheta in Kalabrien und die Camorra in Neapel selbstverständlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Alltags; eine Macht- und Gewaltstruktur, die die Gesellschaft durchzog und organisierte. Manche sagen, dieser Einfluß sei mittlerweile rückläufig. Das mag stimmen. Der Umstand, dass im letzten Jahr erstmals Mafia-Lieder auf CD erschienen, könnte als Beleg dafür gewertet werden.

Ihren Ursprung, so heißt es, habe diese Musik im Canto di Malavita, den Liedern vom Verbrecherleben, und dem Canto di carcerato, den Gefängnisliedern. Das kann, wie im „Canto all'Aspromonte“, auch in eins fallen: „Aspromonte, Heimat der größten Briganten, gebt mir Schutz, der ich ein Gejagter bin. Ich konnte es nicht ertragen, eingesperrt im Gefängnis.“ Das klingt nach Räuberkitsch und erinnert, begleitet von Akkordeon und Gitarre, etwas an Shantys und italienische Schlager der 50er und 60er Jahre. Aber das O wird zum U, kalabrisches Italienisch: „Asprumunti, terra di megghju brighanti“. Das klingt rauer. Viele Lieder begleitet ein drohender Unterton. „Ergastulanu“ (Lebenslänglich) heißt eines dieser düster drohenden Gefängnislieder: „Ich bin hier eingesperrt wie der schlimmste Verbrecher, weil es Lügner gab, Spione und Verräter ... in meinem Herzen träume ich nur vom Tod.“ Die Botschaft am Ende ist eindeutig. Es gilt den Verrat zu sühnen: „Mein Leben wird mit zwei Toten enden“. „Bang!, Bang!“, knallt es dazu.

Und dann haben die Mafia-Stoffe auch Eingang in die Tanzmusik gefunden. „Tanz der Familie Muntalbanu“ (U ballu da famigghja Muntalbanu) heißt eine Tarantella, in der von der Macht der Famillie Muntalbanu gesungen oder vielmehr zum Rhythmus der Tarantella erzählt wird: „Es ist die Familie Muntalbanu, die hier die Musik und den Tanz bestimmt ... Mithilfe von Gewalt und Terror war die Familie eine respektierte.“ Nicht nur Sozialkitsch, auch Erzählung aus einer sozialen Realität – Musica della Mafia ist zwiespältig, auch musikalisch. Es braucht ein wenig, sich auf den Rhythmus der Tarantella einzustimmen. Auf Dorffesten in Kalabrien gibt es denn auch einen Vortänzer, der die Tanzenden auf der Tanzfläche zusammenführt.

Für März waren Auftritte in einigen deutschen Städten angekündigt. Jetzt wurde die Tournee abgesagt, und so fällt auch das heutige Konzert im Grünspan aus. Ein Grund mehr, die CD zu hören: La Musica della Mafia – Il Canto di Malavita, erschienen bei PIAS Recordings/Connected.

Tobias Mulot